Mitternachtslust
Gedanken als Erstes die Boxershorts mit dem schwarz-weißen Pünktchenmuster in den Sinn kamen, die nebenan am Bettpfosten baumelte …
Sie konnte keine frischen Handtücher entdecken. Es gab allerdings zwei große einigermaßen sauber wirkende Badelaken, die über einer Stange an der Wand hingen. Sie zog das obere herunter und warf es griffbereit über den Rand der Badewanne, während sie eilig ihre nasse Bluse aufknöpfte. Dann schälte sie sich mühsam aus den mit Wasser vollgesogenen Jeans, die fest an ihren Hüften klebten. Ihr weißer Slip war so nass, dass sie ihn über der Wanne auswrang.
Sie rubbelte sich so heftig mit dem dicken weichen Handtuch ab, dass die zarte Haut ihrer Brüste und Schenkel sich rosig färbte. Der Frotteestoff verströmte einen leichten ausgesprochen männlichen Duft, der wahrscheinlich von einem Duschgel oder Aftershave herrührte. In dem Moment, in dem Melissa ihr Gesicht in dem Badelaken vergrub, um festzustellen, ob sie die Duftmarkte vielleicht erkannte, klopfte es an die Tür. Wie eine ertappte Sünderin ließ sie das Handtuch fallen.
Doch schon im nächsten Augenblick riss sie das feuchte Tuch wieder vom Boden hoch und hielt es sich mit zitternden Händen vor den Körper, wobei sie unverwandt die Türklinke anstarrte.
»Ich habe vergessen, Ihnen ein Handtuch zu geben«, tönte die tiefe männliche Stimme von draußen. »Soll ich Ihnen eins hereinreichen?«
»Nein, nein, nicht nötig!«, versicherte Melissa ihm nachdrücklich. »Ich brauche keins.«
»Aber die Handtücher, die im Bad hängen, sind alle benutzt.«
»Das macht nichts. Ich habe alles, was ich brauche. Wirklich!«
»Ich habe mich übrigens gar nicht vorgestellt«, kam es nach einer kleinen Pause durch die geschlossene Tür. »Mein Name ist Alexander Burg.«
Melissa ließ kurz die Klinke aus den Augen, um entnervt zur Decke zu hinaufschauen. Verfügte dieser Mann nicht einmal ansatzweise über Taktgefühl? Sagte ihm keine innere Stimme, dass dies nicht gerade der richtige Zeitpunkt für eine förmliche Vorstellung war?
»Sind Sie noch da?«, erkundigte Alexander Burg sich von draußen, als sie auch nach einer angemessenen Wartezeit noch nicht geantwortet hatte.
»Wo sollte ich denn sein? Springen bei Ihnen die Frauen normalerweise aus dem Badezimmerfenster in die Freiheit?« Sie konnte selbst hören, wie zickig sie klang, aber das war ihr absolut egal.
Sein tiefes Lachen drang durch die Tür. »Verraten Sie mir auch Ihren Namen?«, fragte er dann.
»Melissa Sander«, murmelte sie ungnädig und trat von einem Fuß auf den anderen. Solange er hinter der Tür lauerte, wagte sie nicht, das Handtuch wegzulegen und sich endlich anzuziehen.
»Schöner Name«, lobte er fröhlich.
»Kann ich mich jetzt endlich in Ruhe anziehen?« Melissa durchbohrte die Tür mit ihrem Blick.
»Natürlich.« Er klang verwundert. Wahrscheinlich verstand er nicht, warum sie sich nicht mit ihm unterhalten und gleichzeitig anziehen konnte. Dennoch hörte sie, wie seine Schritte sich auf dem knarrenden Holzfußboden entfernten.
Ohne die Tür aus den Augen zu lassen, schlüpfte Melissa in das Hemd, das er ihr gegeben hatte. Es war bei ihr so lang wie ein Minikleid, und sie musste die Ärmel weit nach oben rollen, damit ihre Hände daraus hervorschauten. Die Shorts waren ihr natürlich viel zu weit. Sie zog den Gürtel, den sie in ihren Jeans getragen hatte, durch die Schlaufen der kurzen Hose und zerrte ihn so eng um ihre Taille, dass sie kaum noch Luft bekam.
Dann verließ sie hoch erhobenen Hauptes das Bad, fest entschlossen, sich an diesem Nachmittag nicht noch einmal in Verlegenheit bringen zu lassen, selbst wenn sie in einem viel zu langen Hemd und Shorts herumspazierte, in die sie zwei Mal gepasst hätte.
Sie machte zwei Schritte in das Nebenzimmer – und prallte zurück. Vor der geöffneten Schranktür hüpfte Alexander Burg auf einem Bein herum, während er mit dem anderen gerade in eine Hose fuhr. Während der Zeit, die sie im Bad verbracht hatte, hatte sich der Grad seiner Bekleidung nicht entscheidend verändert, nur dass er statt des Handtuchs jetzt knallrote Retroshorts trug.
»Oh. Schon fertig?« Mit einer lässigen Bewegung zog er die Hose hoch. Erst als er den Reißverschluss schloss, wurde Melissa klar, dass sie ihn mit offenem Mund anstarrte. Hastig wandte sie sich ab und musterte die beige gestrichene Wand, an der mehrere gerahmte Bleistiftzeichnungen hingen, die Frauen in verschiedenen Stadien der Entkleidung
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