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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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besonders übel.
    Damit sie nicht dicht neben ihm auf dem schmalen Pfad laufen musste, eilte sie vor ihm her, wobei sie sich voller Unbehagen bewusst war, dass er auf diese Weise nicht nur ihre nackten Beine, sondern auch die wahrscheinlich äußerst lächerliche Wirkung der viel zu weiten Shorts in aller Ruhe begutachten konnte.
    »Wie machen Sie es nur, sogar in Sachen, die Ihnen viel zu groß sind, einfach umwerfend auszusehen?«, erkundigte er sich in munterem Plauderton über ihre Schulter hinweg.
    »Gucken Sie gefällst woanders hin!«, konterte sie mit schriller Stimme.
    Sein leises Lachen machte sie noch wütender. Sie nahm sich vor, mit dem Hauseigentümer zu sprechen, sobald sie den Mietvertrag unterschrieben hatte. Vielleicht war es möglich, Alexander Burg loszuwerden, wenn sie als Hauptmieterin nicht damit einverstanden war, dass er im Gärtnerhäuschen wohnte.
    »Wir können gleich hier hinten hineingehen. Diese Tür führt direkt in die ehemalige Küche.«
    Alexander, ahnungslos, welche Pläne sie gegen ihn schmiedete, führte sie zu einer schmalen grün gestrichenen Tür an der Rückseite des Haupthauses. Das Merkwürdige war, dass sie die riesige altertümlich eingerichtete Küche bereits vor sich sah, während er noch damit beschäftigt war, den richtigen Schlüssel herauszusuchen und die Hintertür zu öffnen.
    Natürlich ähnelten sich Küchen dieser Art grundsätzlich, falls nicht ein beherzter, unsentimentaler Eigentümer oder Mieter sich irgendwann einmal aufgerafft hatte, den abgetretenen Steinfußboden durch pflegeleichte Fliesen und den Holzofen durch einen modernen Elektroherd zu ersetzen.
    Das war hier nicht geschehen, aber dennoch erstaunte es Melissa, wie genau sie sich die Küche hatte vorstellen können, bevor sie sie tatsächlich sah. Sie hatte gewusst, dass in der Mitte des Raumes ein großer Holztisch seinen Platz hatte und dass der Herd an der hinteren Wand stand, gleich neben dem altmodischen Spülstein. Aus irgendeinem Grund hatte sie sogar geahnt, dass an der Wand über dem alten Sofa, auf dem im vergangenen Jahrhundert wahrscheinlich das Personal seine Pausen verbracht hatte, ein ausgeblichener, verschlissener Wandteppich hängen würde. Wahrscheinlich ein von den Dienstherren ausrangiertes Stück, an dem sich die Dienerschaft immerhin noch erfreuen konnte.
    »Diese Küche wurde schon seit fünfzig Jahren oder länger nicht mehr benutzt«, riss Alexander sie aus ihren Gedanken. Offensichtlich war sie nicht die erste Interessentin, die er durchs Haus führte. »Es gibt hier im Erdgeschoss eine moderne Einbauküche mit allem Schnickschnack.«
    »Gut.« Sie betrachtete immer noch den Wandteppich. Die ursprünglichen Farben der ineinander verlaufenden Linien und Formen konnte man nur noch erahnen. Der dunkle Fleck in der rechten oberen Ecke musste das Wildschwein gewesen sein …
    »Schade, dass man die Jagdszene nicht mehr genau erkennen kann«, wandte sie sich an Alexander, der bereits in der Tür zur Halle stand.
    »Welche Jagdszene?« Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er den Wandteppich. »Woher wollen Sie wissen, dass das eine Jagdszene ist? Man kann doch überhaupt keine Einzelheiten mehr erkennen.«
    »Können Sie nicht? Ich kann!« Der schnippische Ton, mit dem Melissa ihm klarmachte, dass er eben beileibe nicht immer den Durchblick hatte, tat ihr gut, weil er sie von dem unbehaglichen Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern ablenkte, das sie spürte, wenn sie sich in der alten Küche umsah.
    Dann aber trat sie in die Halle und hatte sofort das Gefühl, nach Hause zu kommen. Ohne auf ihren Begleiter zu achten, eilte sie in die Mitte des großen Raumes, drehte sich einmal um sich selbst und wusste sicherer denn je, dass sie hier leben wollte.
    Da sie noch niemals zuvor in diesem Haus gewesen war, musste das Gefühl tief aus ihrem Inneren kommen. Als würden diese Mauern all ihre bewussten und unbewussten Wünsche an ein Heim wahrmachen. Sie spürte den glatten Fliesenfußboden unter ihren Sohlen. Mit seinem schwarz-weißen Muster kühl und ein wenig streng, bildete er einen wunderbaren Kontrast zu der in warmem Dunkelrot gestrichenen hohen Decke.
    Auf jeden Fall würde sie einen Teppich vor den Kamin legen. Am besten im gleichen Rot wie dem der Decke. Und sie musste sich nach zwei großen weich gepolsterten Sesseln umsehen. Die Ecke unter der Treppe würde der gemütlichste Ort im ganzen Haus werden, geschaffen für lange Winterabende.
    Wie magisch angezogen ging

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