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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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Parks fort. Sie wollte herausfinden, wo diese kaum gebändigte Wildnis endete.
    Der Blick auf den kleinen See öffnete sich so überraschend, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. Fast kreisrund, wie ein glänzendes grünes Auge, lag die Wasseroberfläche zwischen hohen Gräsern und blühenden Büschen. Eine Trauerweide tauchte die Spitzen ihrer Äste in die Goldkringel, die die Mittagssonne auf den See malte. Am gegenüberliegenden Ufer neigte sich dichtes Schilf zum Wasser hinunter.
    Das laute Plätschern in der Nähe des Stegs, der vor ihr etwa fünf Meter weit in den See führte, ließ Melissa zusammenfahren und hastig zur Seite springen. Gab es hier Enten, Schwäne – Krokodile? In diesem verwunschenen Garten schien alles möglich zu sein. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Wasser hinunter.
    Bevor sie sich weiter in ihre Panik steigern konnte, erspähte sie zwei kräftige gebräunte Hände, die sich um den Rand des Stegs legten; und Sekunden später stand sie einem fremden Mann gegenüber.
    Genauer gesagt: einem fremden und außerdem splitternackten Mann mit glänzender bronzefarbener Haut, breiten Schultern, schmalen Hüften … Sie wandte entsetzt den Blick ab, nicht ohne vorher festgestellt zu haben, dass die gekräuselten Haare, die in einem sich verbreiternden Streifen von seinem Bauchnabel aus nach unten liefen, die gleiche Farbe hatten wie das kurzgeschnittene, dunkelblonde, tropfnasse Haar auf seinem Kopf.
    Melissa öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, weil sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie in so einer Situation eine angemessene Bemerkung hätte lauten können. Deshalb stand sie nur da, hob vorsichtig wieder ihren Kopf und schaute stumm zu, wie das Wasser in kleinen Rinnsalen über die gebräunte Haut lief, bevor es auf das rissige Holz des Stegs tropfte – wobei sie peinlich darauf bedacht war, nicht tiefer als bis zur Höhe seines Bauchnabels zu sehen. Gegen ihren Willen blieb ihr Blick dann doch an einem großen Tropfen hängen, der sich in der kleinen Kuhle unter dem Hüftknochen gefangen hatte und von dort in das dunkelblonde Haar unter seinem Bauch kullerte. Schnell sah sie zu der großen Trauerweide hinüber, während sie nicht aufhören konnte, zu schlucken, obwohl ihr Mund völlig ausgetrocknet war.
    »Wären Sie so nett, mir mein Handtuch zu reichen?« Seine Stimme klang tief und ziemlich amüsiert. Wahrscheinlich weil sie mittlerweile knallrot geworden war, jedenfalls brannten ihre Wangen wie Feuer.
    »Ich … Wo?« Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Wer konnte ihr schließlich garantieren, dass nicht noch mehr nackte Männer aus den Büschen, dem Wasser oder von sonst woher auftauchten?
    »Gleich hinter Ihnen.«
    Sie drehte leicht den Kopf, erkannte aus dem Augenwinkel etwas Weißes, griff blind zu und reichte es ihm mit abgewandtem Gesicht.
    »Vielen Dank«, sagte er in freundlichem Plauderton, als hätte sie ihm soeben auf einer Party ein Käsehäppchen angeboten.
    »Entschuldigen Sie bitte! Ich wusste nicht … Ich gehe dann lieber! Den Blick fest auf die Spitze der Trauerweide geheftet, wedelte Melissa mit ihren Händen, machte einen unentschlossenen Schritt zur Seite und stieß einen Schrei aus, als der Boden unter ihr nachgab. Offensichtlich war sie zu nah an das unbefestigte Ufer geraten. Langsam, aber unaufhaltsam rutschte sie nach unten, während sie vergeblich versuchte, Halt zu finden. Aber weder ihre wild rudernden Arme noch ihre Füße stießen am Boden oder in der Luft auf einen Widerstand, so dass sie sich gleich darauf im Uferschlamm kniend wiederfand, bis zur Brust von eiskaltem Wasser umspült.
    Bevor sie sich wieder fassen und einen Versuch unternehmen konnte, sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, wurde sie unter den Armen gepackt und hinauf auf den Steg gezogen.
    »Danke, es geht schon«, piepste sie mit der Stimme einer Mickymaus kurz vor einem hysterischen Anfall, als sie entdeckte, dass ihr Retter sein Handtuch fallen gelassen hatte, um sie aus dem Wasser zu ziehen.
    Sie schickte einen hilfesuchenden Blick zu den Wolken hinauf, die ihr allerdings auch keine Eingebung sandten. Da ihr durch den nackten nassen Mann der Fluchtweg über den Steg abgeschnitten war, tat sie ein oder zwei Minuten lang, als wäre sie überhaupt nicht anwesend, in der Hoffnung, er würde sich vielleicht diskret zurückziehen oder sich noch besser in Luft auflösen, was er aber offensichtlich nicht vorhatte. Stattdessen reichte er ihr höflich sein

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