Mitternachtslust
Pinselstrichen die Farbe verteilte.
Schon längst sah Melissa ihm nicht mehr bei seinen Malereien zu. Sie hatte ihren Kopf in den Nacken geworfen und die Augen geschlossen. Alles, was sie tun konnte, um wenigstens den Anschein zu erwecken, als hätte sie die Situation noch unter Kontrolle, war das feste Aufeinanderpressen ihrer Lippen, um das Stöhnen zurückzuhalten, das in ihrer Kehle lauerte.
»Ich mag den Kontrast zwischen reiner Unbeflecktheit und künstlerischer Verfremdung. Wie siehst du das?«
Widerstrebend öffnete Melissa die Augen und senkte den Kopf. Alexander hatte den Pinsel weggelegt. Nur ganz leicht, fast schwebend, glitten seine Fingerspitzen über ihre linke Brust, die neben ihrer mit dunkelroten Linien und Schnörkeln geschmückten Schwester milchig weiß und jungfräulich wirkte.
Sie starrte ihre Brüste an, als würde sie sie zum ersten Mal sehen.
»Ich weiß nicht«, brachte sie hervor und ärgerte sich im selben Moment über ihre wenig beeindruckende Antwort. »Es hat etwas von Picasso«, fügte sie deshalb eilig hinzu, obwohl ihre Kunstkenntnisse eher beschränkt waren.
»So habe ich das noch nie gesehen.« Sein linker Mundwinkel zuckte kaum merklich.
»Sind wir dann fertig?« Melissa war stolz auf den gelassenen, ein wenig gelangweilten Klang ihrer Stimme, obwohl Gelassenheit und Langeweile eine sehr unpassende Beschreibung für den Tumult in ihrem Inneren gewesen wären.
»Ich denke schon. Wir wollen es nicht zu weit treiben. Ich hätte nicht gedacht, dass du derart sensibel reagieren würdest. Fast bin ich geneigt, zu glauben, ich könnte dich mit ein bisschen Farbe und einem Pinsel in einen Zustand versetzen, dessen Namen ich nicht nennen will. Immerhin bringt dich schon die Erwähnung wesentlich harmloserer Vorgänge in Verlegenheit.«
Melissa fuhr aus ihrer halb liegenden Stellung hoch und funkelte ihn an. »Niemals würdest du mich mit ein bisschen Farbe so weit bringen!«
»Wie weit?«
»So weit eben!« Sie stellte die Füße auf den Boden und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
»Und wie ist es mit deinem Mann? Bringt er dich so weit?«
Sie schnappte nach Luft, als er so unvermittelt Richard erwähnte. »Das geht dich nichts an!«
»Also tut er es nicht. Dachte ich es mir doch«, stellte Alexander zufrieden fest.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich bei ihm keinen, äh, Orgasmus bekomme. Ich habe nur gesagt, es geht dich nichts an.« Mit fest an den Körper geklemmten Armen hetzte Melissa durch das Zimmer zu ihrer am Boden liegenden Bluse, während sie über die Schulter Alexander die Worte zuwarf wie einem Hai Fleischbrocken.
»Natürlich müssen wir nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst«, beruhigte er sie großmütig.
Nachdem sie ihre Bluse schief zugeknöpft hatte, was in Alexanders Gegenwart langsam zur Gewohnheit zu werden schien, sah sie ihm quer durch das Zimmer entschlossen in die Augen und verkündete: »Interessehalber habe ich den kleinen Spaß mitgemacht. Aber ich kann nicht behaupten, dass mich dieses, äh, Kunsthappening besonders beeindruckt hat.«
Er fuhr sich mit der Handfläche über die Innenseite des rechten Schenkels und hinterließ einen roten Fleck auf dem Jeansstoff. »Ich fand die Anfänge recht vielversprechend. Vielleicht brauchen wir noch ein oder zwei Versuche, aber dann …«
»Es wird ganz sicher keine Wiederholungen geben.«
»Das ist einerseits schade. Andererseits«, er rubbelte immer noch demonstrativ an seinem Schenkel herum, »fürchte ich, auf die Dauer würde ich bei dieser Art der künstlerischen Tätigkeit einige Schäden davontragen. Du hast einen ziemlich festen Griff.« Er grinste sie frech an.
Melissa öffnete den Mund, um sich zu erkundigen, was er mit dieser Bemerkung sagen wollte. Doch da fiel ihr ein, dass sie irgendwann, als ihr das Pinseln und Malen vielleicht ein bisschen zu viel geworden war, nach einem Halt gesucht und wenig später den rauen Stoff seiner Jeans und die festen Muskeln seines Schenkel unter ihren Fingern gespürt hatte. Sie wandte sich hastig ab, damit er die Röte nicht sah, die ihr in die Wangen schoss.
»Kein Grund, rot zu werden«, beruhigte er sie prompt. »Ich mag leidenschaftliche Frauen – sehr sogar. Und ich finde es schade, wenn sie sich für ihre Leidenschaft schämen und sie zu verbergen versuchen.«
»Wo sind nun also die Hausschlüssel?«, wechselte Melissa schnell das Thema.
Mit einer lässigen Bewegung zog er den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und warf ihn ihr
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