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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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Termin beim Augenarzt geben lassen.
    Nachdem sie den benutzten Teller ins Spülbecken gestellt hatte, schlüpfte Melissa in ihre bequemen Joggingschuhe, griff nach der großen Schultertasche mit ihrem Fotozubehör und eilte zur Tür.
    Ihren Wagen ließ sie stehen, weil sie ebenso gut an der nächsten Ecke wie am anderen Ende der Stadt interessante Motive finden konnte.
    Die Regenwolken, die den vergangenen Tag grau und trüb gemacht hatten, waren verschwunden. Die Welt wirkte wie frisch gewaschen. Melissa atmete tief durch, zog den Riemen der schweren Tasche höher auf ihre Schulter und marschierte auf dem Kiesweg in Richtung Tor.
    Sie bemerkte das Auto erst, als es – aus einem schmalen Seitenweg kommend, der sich in den Tiefen des Parks verlor – schon fast die breite Auffahrt erreicht hatte, auf der sie zu Fuß unterwegs war. Es handelte sich um einen teuren Wagen, dessen sanftes Schnurren fast im Knirschen der Kieselsteine unter ihren Füßen unterging.
    Sie blieb stehen und beobachtete, wie der Wagen in die Auffahrt einbog. Jetzt erkannte sie, dass es ein schneeweißer Jaguar war. Erst auf den zweiten Blick sah sie, wer das Auto steuerte.
    Mit einem unterdrückten Entsetzensschrei machte sie einen Schritt rückwärts, stolperte und fiel in den Busch, vor dem sie gerade stand. Die dichten Äste fingen sie auf, wenn sie ihr auch die Hände zerkratzten und einen Schauer kalter Wassertropfen auf ihren Nacken rieseln ließen.
    Der letzte Mensch auf Erden, dem sie heute begegnen wollte, saß in diesem unverschämt teuren Auto, das jetzt mit einem kaum merklichen Ruck anhielt. Geräuschlos glitt die Scheibe auf der Fahrerseite nach unten, und Alexander Burg streckte seinen dunkelblonden Kopf mit den kurzen widerspenstigen Haaren in die klare Morgenluft hinaus.
    »Melissa? Brauchst du Hilfe?«
    »Nein!!!« Mit einer energischen Bewegung befreite sie sich aus der Umarmung der feuchten Äste, trat auf den Weg zurück und gab sich die größte Mühe, so zu tun, als würde es zu ihren Gewohnheiten gehören, um neun Uhr morgens in Büsche zu springen.
    »Es ist alles in Ordnung. Ich wollte nur …« Beim besten Willen fiel ihr nicht ein, was sie nun eigentlich in dem Busch gewollt haben könnte.
    »Hast du etwas verloren?« Offensichtlich war Alexander fantasievoller als sie.
    »Ja, genau. Meine … meine Ohrringe.« Sie trug zwar so gut wie nie Ohrringe, hatte aber schon oft gehört, dass die Dinger sich gern selbstständig machten.
    »Warte! Ich helfe dir suchen.«
    Bevor sie etwas dagegen unternehmen konnte, war er aus dem Auto gesprungen und stand auch schon neben ihr – groß, breitschultrig und beunruhigend männlich. Am liebsten wäre Melissa auf der Stelle zurück in den Busch gehüpft.
    »Äh, ich habe sie schon gefunden.« Triumphierend klopfte sie auf ihre Tasche, als wäre der große Ledersack bis oben hin mit verlorenem und wiederentdecktem Schmuck vollgestopft.
    »Gut.« Alexanders Augen funkelten in der Morgensonne. Sein Blick wanderte über ihren Mund, streifte ihre Brust und kehrte eilig, wie ertappt, zu ihrem Gesicht zurück. »Hast du gut geschlafen?« Er klang fast zärtlich. Viel zu sanft, um ihm eine pampige Antwort zu geben.
    Melissa zuckte mit den Achseln. »Na ja, nicht besonders.«
    Kaum waren sie heraus, erschrak sie über ihre eigenen Worte. Wie kam sie bloß dazu, ihm die Wahrheit zu sagen, anstatt sich höflich für die Nachfrage zu bedanken und etwas Nichtssagendes zu antworten!
    »Ich konnte auch nicht schlafen«, tröstete er sie.
    »Na ja, vielleicht der Vollmond oder so.« Sie scharrte mit der Fußspitze im Kies.
    »Vollmond haben wir erst nächste Woche«, teilte er ihr freundlich mit. »Kann ich dich mitnehmen? Ich bin auf dem Weg in die Innenstadt.«
    »Nicht nötig.« Melissa wedelte mit ihren Armen, als müsste sie sich eines Mückenschwarms erwehren. »Ich habe es nicht weit.«
    »Ja, dann …« Rückwärts gehend kehrte er zu seinem Auto zurück, rannte gegen die offen stehende Tür, verzog das Gesicht, drehte sich endlich um und ließ sich auf den hellbraunen Ledersitz fallen.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen sah sie zu, wie Alexander lässig winkte, die Tür zuwarf und den Motor startete. Sie wartete, bis der Wagen durch das schmiedeeiserne Tor am Ende der Auffahrt verschwunden war, dann setzte auch sie sich wieder in Bewegung.
    Halb hinter dem Stamm einer Linde verborgen, blickte Melissa zu dem offenen Fenster im ersten Stock des grauen Mietshauses hinauf. Das ältere

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