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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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zu rasch zu persönlich wurde, zog Melissa sich innerlich zurück. Wenn jemand nicht genug Geld hatte, um sich etwas Besseres als diesen schmierigen Imbiss leisten zu können, war das eine höchst private Angelegenheit, in die sie nicht hineingezogen werden wollte.
    »Und, wie gefällt es Ihnen in Hamburg?«, erkundigte Melissa sich in jenem Plauderton, den sie sonst für die Geschäftsessen reserviert hatte, zu denen Richard sie mitnahm, wenn Damenbegleitung erwünscht war.
    Die Frau zuckte mit den Schultern und tupfte sich mit der zerknüllten weißen Serviette die Lippen ab. »Ich denke, es ist im Grunde nicht wichtig, wo man lebt. Schließlich muss man sich selbst mitnehmen, egal, wohin man geht. Manchmal halte ich es ganz gut in meiner Gesellschaft aus, dann wieder gehe ich mir auf die Nerven. Das ist in Hamburg genauso wie in jeder anderen Stadt.«
    Melissa starrte ihr Gegenüber verdutzt an. Ihr war noch nie jemand begegnet, der so unbekümmert sein Inneres vor Fremden bloßlegte. Alexander Burg vielleicht ausgenommen.
    »Ich bin auch erst vor kurzem hierhergezogen«, offenbarte sie dann, weil sie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, das wenigstens ein bisschen persönliche Information über sie und ihr Leben enthielt.
    »Hat Ihr Leben sich dadurch geändert?«
    »Oh ja!«, erklärte Melissa energisch. »Seit ich hier lebe, hat sich für mich ziemlich viel geändert.«
    Ich habe geradezu unglaubliche erotische Träume; ich lasse mich von Männern, die ich kaum kenne, mit dunkelroter Farbe bemalen; und manchmal zweifle ich an meinem Verstand.
    »Zum Guten oder zum Schlechten?« Die rothaarige Frau ließ die Plastikgabel mit dem Wurststück auf halbem Weg zum Mund wieder sinken.
    Melissa zögerte und zuckte schon wieder mit den Achseln. »Das weiß ich noch nicht.«
    »Immerhin. Veränderung bedeutet Leben.« Das letzte Stückchen Currywurst verschwand zwischen den geschminkten Lippen.
    Melissa wusste nicht recht, was sie mit dieser Bemerkung anfangen sollte. Sie nahm noch einen Bissen von dem pappigen Brötchen und schob den Rest ihrer Bratwurst weg.
    »Kann ich Sie zu einem Schnaps einladen?« Ihre Tischnachbarin hatte sich bereits dem Wagen zugewandt, in dem ein erstaunlich dünner Mann in einem fleckigen Kittel über Friteuse und Getränkedosen herrschte.
    »Es ist erst drei Uhr nachmittags.« Bereits in dem Moment, in dem sie die Worte aussprach, kam Melissa sich entsetzlich spießig vor.
    »Warum nicht?«, fügte sie deshalb rasch hinzu.
    Als das Getränk in einem Plastikgefäß, das es fast schaffte, als Schnapsglas durchzugehen, vor ihr stand, zögerte sie nur einen winzigen Moment, bevor sie sich die klare Flüssigkeit mit Schwung in den Mund schüttete. Der Alkohol brannte in ihrer Kehle und verbreitete eine Hitze in ihrem Magen, die sie nur im ersten Moment als unangenehm empfand.
    »Natascha«, stellte die Fremde sich vor, nachdem sie ebenfalls beherzt den Schnaps hinuntergekippt hatte.
    »Melissa.« Es war ihr ein wenig unangenehm, wie gierig sie sich auf den Alkohol gestürzt hatte, aber ihre Mitstreiterin hatte es schließlich nicht anders gemacht.
    »Vielleicht sollte ich doch endlich einmal kochen lernen. Dieses fettige Zeug macht mich auf die Dauer fertig – und der Schnaps erst recht.« Sie grinste Melissa fröhlich an, als wäre es ein Spaß, entweder am Fett oder am Schnaps zugrunde zu gehen.
    Melissa erwiderte das Grinsen. »Noch einer?«, fragte sie und war schon fast auf dem Weg zum Wagen.
    »Kennst du viele Leute in Hamburg?«, erkundigte Natascha sich, nachdem sie beide mit Todesverachtung den zweiten Schnaps hinuntergestürzt hatten.
    Melissa wischte lässig mit der Hand durch die Luft. »Meinen Mann und einen Nachbarn.«
    »Du bist verheiratet?« Natascha hörte sich überrascht an.
    »Warum nicht?« Melissa klang entsprechend trotzig.
    »Na ja. Leute, die verheiratet sind, sind meistens nicht sonderlich scharf darauf, ihr Leben zu verändern.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass ich scharf darauf bin. Die Dinge geschehen einfach.« Melissa reckte das Kinn hoch und ließ ihr leeres Schnapsbecherchen auf dem Tisch Slalom fahren, während Natascha anfing, ihre Sachen zusammenzusuchen. Das Päckchen mit Papiertaschentüchern, das sie neben ihrem Pappteller auf den Tisch gelegt hatte, verschwand in der braunen Ledertasche, das Portemonnaie wurde in die Jackentasche geschoben.
    »Am Samstag weihen wir unser Haus ein«, platzte Melissa zu ihrem eigenen Erstaunen heraus. »Es ist eine

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