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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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flüsterte sie vor sich hin. »Julius.«
    Dann fiel plötzlich die Starre von Melissa ab. Sie wandte sich um und stürzte in die Halle hinaus. Nachdem sie die Tür zu dem kleinen Abstellraum hinter sich ins Schloss geworfen hatte, verharrte sie wie nach einer großen Anstrengung. Gedanken jagten durch ihren Kopf, aber sie war nicht in der Lage, auch nur einen davon festzuhalten und zu Ende zu denken.
    Als sie aus der Kammer hinter ihrem Rücken ein leises schleifendes Geräusch hörte, zuckte sie zusammen, blickte sich gehetzt um, lief los und durchquerte mit großen Schritten die Halle. Mit einem Ruck riss sie die Haustür auf, knallte sie hinter sich zu, lief die breite Treppe hinunter und quer über die Auffahrt bis unter die Bäume neben dem Haus.
    Umgeben von beruhigendem Grün, in dem die letzten Sonnenstrahlen tanzten, über sich den Abendgesang der Drosseln, würde es ihr gelingen, nachzudenken. Hier draußen wusste sie, dass es für alles eine Erklärung gab. Es musste eine Erklärung geben!
    Wie von selbst setzten ihre Beine sich in Bewegung, und sie lief tiefer und tiefer in den Park hinein, bis sie plötzlich vor dem kleinen See stand. Gedankenverloren sah sie ins Wasser, das sich im leichten Abendwind kräuselte.
    Entschlossen wandte sie sich in die Richtung, in die sie von Anfang an hatte gehen wollen. Sie musste mit jemandem reden. Mit jemandem, der mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stand. Jemandem, der ihr sagen würde, dass es für alles eine natürliche Erklärung gab.
    Als sie Alexander auf der Bank neben der Haustür sitzen sah, vor sich auf dem Tisch eine Flasche und ein Glas mit Rotwein, blieb sie überrascht stehen. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich vorgestellt, er würde wieder beim Malen sein, wenn sie kam. Sie hatte ihn noch nie müßig gesehen. Immer war er in Bewegung und mit irgendetwas beschäftigt gewesen. An diesem Abend saß er jedoch völlig ruhig und entspannt da und schaute in die Baumwipfel hinauf.
    »Schön, dass du mich besuchst!«, rief er ihr entgegen. Seine scharfen Augen hatten sie im Schatten der Bäume erspäht, wo sie sich sicher gefühlt hatte.
    Zögernd näherte sie sich ihm, wie ein Kind, das beim Spionieren überrascht worden war.
    »Möchtest du ein Glas Rotwein?«, erkundigte Alexander sich freundlich, als sie endlich vor ihm stand.
    »Nein danke«, erwiderte sie, obwohl ihr Mund furchtbar trocken war.
    »Es ist ein sehr guter Wein. Mach mir die Freude!« Ohne auf ihre gemurmelten Einwände zu achten, wandte er sich um, stieß das Fenster neben sich auf und nahm ein Glas vom Abtropfbrett der Spüle, die direkt hinter dem Fensterbrett stand.
    »Setz dich!«, forderte er sie auf, als sie immer noch unschlüssig dastand.
    »Eigentlich wollte ich nur ein bisschen im Garten spazieren gehen. Ich bin ganz zufällig hier vorbeigekommen«, fühlte sie sich bemüßigt, zu erklären.
    »Natürlich. Mir würde nie in den Sinn kommen, etwas anderes anzunehmen.« Er füllte das zweite Glas.
    Von einer Sekunde zur anderen wurde es ihr zu dumm, sich wie ein schüchterner Teenager zu winden. »Na gut: Ich konnte nicht drüben im Haus bleiben. Es ist etwas Merkwürdiges passiert, und ich dachte, vielleicht …«
    »Erzähl es mir!« Er sagte das so selbstverständlich, als wäre es die normalste Sache der Welt, dass sie mit ihren Problemen zu ihm kam.
    Mit einem unterdrückten Seufzer ließ Melissa sich neben Alexander auf die Bank sinken, wobei sie darauf achtete, sich weit genug von ihm entfernt niederzulassen, um ihn nicht zufällig zu berühren.
    Er schob ihr das Glas hin, und sie nahm einen großen Schluck. Der Wein floss wie Samt durch ihre Kehle. Sie öffnete den Mund, um ihm zu erzählen, was sie in der Kammer gefunden hatte, aber plötzlich kam ihr die Geschichte albern vor.
    »Es ist nichts«, behauptete sie und sah zum Abendstern hinauf, der auf der Spitze einer Tanne zu balancieren schien.
    »Erzähl es mir trotzdem!« Er legte seine Finger über ihre.
    Die Berührung kam so unverhofft, dass es ihr nicht mehr gelang, ihre Hand wegzuziehen. Verlegen senkte sie den Blick auf die beiden Hände auf der Tischplatte aus blau gestrichenem Holz. Wie von selbst hatten ihre Finger sich mit seinen verflochten, und plötzlich wusste sie nicht mehr, wo ihre eigene Hand aufhörte und die des Mannes neben ihr anfing.
    »Ich hatte diesen Traum«, flüsterte sie. »Kurz nachdem ich hier eingezogen war. Er handelte von einem Mann, der in mein Schlafzimmer kam.« Sie

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