Mitternachtslust
aufzubrechen.
10. Kapitel
»Du kannst dich hier drinnen ausziehen. Ich bereite schon alles vor.« Mit einer lässigen Geste deutete Alexander auf die Tür zu seinem Schlafzimmer und ging weiter in Richtung Wintergarten, ohne Melissa auch nur anzusehen.
Sie schlüpfte hastig durch die angelehnte Tür und blieb erst einmal mitten im Raum stehen, wo sie die nächsten zwei Minuten damit verbrachte, sich zu wundern, was sie hier eigentlich tat und wie sie in diese Situation geraten war. Klar war nur eines: Für einen Rückzieher war es zu spät, wenn sie sich nicht endgültig und vollkommen lächerlich machen wollte.
Im Zeitlupentempo begann sie, ihre Bluse aufzuknöpfen. Sie ärgerte sich, weil ihre Finger so stark zitterten, dass sie ziemliche Schwierigkeiten mit den kleinen Knöpfen hatte.
Als es an die Tür klopfte, zuckte sie zusammen wie eine zum Tode Verurteilte, die zu ihrem letzten Gang abgeholt wird.
»Bist du fertig?«, erkundigte Alexander sich von draußen, ohne die Tür zu öffnen.
»Nein!« Vor lauter Verwirrung begann Melissa, die Knöpfe wieder zu schließen.
»Lass dir Zeit, ich warte im Atelier auf dich. Im Bad hängt ein Bademantel.«
»Gut. Danke.« Sie war nicht sicher, ob er sie gehört hatte, weil ihre Stimme wie das Piepsen einer Maus nach einer Mandeloperation klang.
Das war lächerlich! Absolut lächerlich! Sie war eine erwachsene Frau, sie hatte einen Entschluss gefasst, und sie würde diesen Entschluss durchführen!
Energisch knöpfte sie ihre Bluse erneut auf. Dann zog sie die Turnschuhe aus, streifte den BH, die Jeans und das Höschen ab und hüllte sich in den Bademantel aus schwerem Frottee, den sie sich aus dem Badezimmer geholt hatte. Es erschien ihr fast unanständig, dieses Kleidungsstück auf ihrer nackten Haut zu tragen, weil es unmissverständlich Alexanders ganz eigenen Duft verströmte.
Als sie den Wintergarten betrat, stand er mit dem Rücken zur Tür vor der Glasscheibe und sah in den nächtlichen Garten hinaus. Obwohl er sie gehört haben musste, drehte er sich nicht um.
Melissa verharrte unschlüssig in der Tür. Nichts geschah. Sie räusperte sich.
»Wo …?« Ihr Blick schweifte zu der Ottomane hinüber, auf der sie bei ihrem letzten Besuch gelegen hatte. Beim Anblick der weichen Polster kribbelte ihre Haut, und ihre Nippel drängten sich gegen den rauen Frotteestoff des Bademantels. Langsam bewegte sie sich auf das altmodische Möbelstück zu.
»Ich dachte, vielleicht fühlst du dich auf einem Sessel wohler.« Als wollte er ihr den Weg abschneiden, hatte Alexander sich hastig umgedreht und kam auf sie zu.
»Du bist der Künstler.« Sie brachte es fertig, schnippisch zu klingen, obwohl ihre Stimme zitterte.
Alexander deutete stumm auf einen schwarzen Ohrensessel. Einige Schritte davon entfernt stand bereits die Staffelei mit einer großen leeren Leinwand darauf.
Wie ein Soldat beim Exerzieren machte Melissa zackig kehrt und ging auf den Sessel zu. Erst direkt vor dem gepolsterten Sitz zögerte sie. Sollte sie jetzt einfach den Bademantel ausziehen und sich nackt auf den schwarzen Stoff setzen? Würde er ihr wenigstens – wie allen anderen Modellen – ein kleines Tuch geben?
Erst als sie seinen Atem auf ihrer Kopfhaut spürte, bemerkte sie, dass er direkt hinter ihr stand.
»Du musst es nicht tun, wenn du nicht willst. Ehrlich gesagt, habe ich Bedenken. Es ist unprofessionell.« Während er sprach, vergrub er seinen Mund in ihren Haaren.
Melissa erstarrte, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, von den Zehen bis zu den Haarspitzen unter Strom zu stehen. Ihr Körper brannte lichterloh – und sie genoss dieses Gefühl auch noch.
»Was heißt hier unprofessionell?«, empörte sie sich, als sie ihren Atem wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. »Was andere Frauen können, kann ich auch!«
»Natürlich.« Er schien noch ein wenig dichter an sie herangetreten zu sein, denn sie konnte durch den dicken Frotteestoff an ihrem Rücken die Wärme seines Körpers spüren. »Es ist nur so, dass ich ganz andere Dinge mit dir tun möchte, als dich zu malen.«
»Das ist dein Problem.« Plötzlich fühlte Melissa sich stark und mächtig. Das Zittern in ihren Knien verschwand, zurück blieb nur das leichte elektrisierende Kribbeln in ihrem ganzen Körper. Mit einer raschen Bewegung löste sie den Gürtel des Bademantels und ließ den Stoff von ihren Schultern gleiten. Sie hörte, wie Alexander hinter ihr heftig die Luft einsog, und unterdrückte ein
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