Mitternachtsmorde
sich seine Hand um ihren Hintern schmiegte und sie noch fester an ihn drückte. Wie leicht es wäre, mit ihm ins Bett zu gehen, dachte sie benebelt und gleichzeitig bemüht, an etwas anderes zu denken als an die Lust, die ihre Nerven elektrisierte. Worin dieser entspannte Charme, den er ausstrahlte, auch liegen mochte, er war tödlich für ihre guten Absichten.
Sie kämpfte darum, einen klaren Kopf zu behalten und nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren, brachte mühsam einen Zentimeter Luft zwischen ihre und seine Lippen und murmelte: »Sollten wir nicht gehen?«
»Noch nicht gleich. Es ist noch nicht ordentlich dunkel.«
»Ordentlich dunkel im Gegensatz zu unordentlich dunkel?«
»Ordentlich dunkel wie in: Es ist immer noch so hell, dass man etwas erkennen könnte.« Er setzte einen schnellen Kuss auf ihren Mundwinkel und zupfte dabei leicht an ihrer Unterlippe.
Sie stemmte resolut die Hände gegen seine Schultern. Sie brauchte nicht zu drücken; die Geste genügte, damit er leidend seufzte und zurückwich.
Sie atmete ein paar Mal tief durch, um sich wieder zu fangen. »Entschuldige; das war unprofessionell von mir.«
»Das sagst du aber oft.«
»Es ist unprofessionell.«
»Na schön. Aber dir tut das leid und mir nicht. Scheiße, nach dem, was wir heute durchgemacht haben, können wir ruhig ein bisschen unprofessionell sein, das bringt frischen Wind in die Sache.«
Was heißen sollte, dass er vorübergehend nicht dazu gezwungen war, Gesetze zu brechen und gegen die Grundprinzipien seines Lebens zu verstoßen, und deshalb ruhig etwas Sex haben konnte? Dieser Gedanke verlieh ihr die Kraft, die sie brauchte, um noch mehr auf Distanz zu gehen; sie wollte aus mehr als einem Grund Sex mit ihm haben, aber sie wollte ganz bestimmt nicht als Trostpreis dienen.
»Nur um dir meinen Standpunkt klar zu machen«, sagte sie. »Ich finde dich ganz offensichtlich sehr attraktiv. Aber ich werde nicht lange hier sein, weshalb jede Beziehung notwendigerweise belanglos bleiben muss. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie belanglosen Sex und wüsste nicht, warum ich jetzt damit anfangen sollte.«
Er pfiff leise durch die Zähne. »Damit hast du mir meinen Platz gezeigt, wie?«
Sie merkte, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam. »Ich wollte dich nicht beleidigen; es ist nur …«
»Psst.« Er legte eine Fingerspitze unter ihr Kinn. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen oder mir irgendwas zu erklären. Ich glaube, zur richtigen Zeit – und das meine ich ohne jede Ironie – hätte das mit uns durchaus was werden können.«
Was umso trauriger war, da sie das ebenfalls glaubte. Ihr Beruf hielt sie so auf Trab, dass sie kaum Zeit hatte, um nach Mr Perfect oder auch nur Mr Maybe Ausschau zu halten. Jetzt war sie in den Schoß eines ganz eindeutigen Mr Maybe oder sogar ihres Mr Perfect gefallen und konnte nicht bei ihm bleiben.
Natürlich war sie fasziniert von seiner Zeit, die so voller Energie war und in der sich die Ideen und Technologien explosionsartig entwickelten, aber dennoch zog sie ihre Zeit vor. Manche Zeitreisende träumten davon, sich eine interessante Epoche auszusuchen und sich dort niederzulassen, aber sie hatte nie verstanden, wie jemand seine Familie und seine Freunde, kurz gesagt, alles, was er kannte, zurücklassen konnte. Natürlich war es möglich, dass diese Menschen keine Freunde hatten und vielleicht unbedingt von ihrer Familie wegwollten, aber diese Vorstellung war noch trauriger.
Knox sagte, als würde er ihre Gedanken lesen: »Aber wenn du bleiben würdest …«
»Das kann ich nicht.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?«
»Meine Familie nie wiedersehen?«, fragte sie leise. »Würdest du das fertigbringen?«
»Ich habe nur meinen Dad und meine Stiefmutter, aber … nein. Ich könnte nicht weggehen, wenn ich wüsste, dass ich sie nie wiedersehen würde.« Er streckte die Hand aus und betastete eine Locke ihres blond gewordenen Haares. »Wartet außer deiner Familie noch jemand auf dich?«
»Ein Geliebter, meinst du? Nein. Ich habe Freunde, männliche wie weibliche, aber mit keinem davon bin ich romantisch verbunden.« Da dies die Frage-und-Antwort-Stunde zu sein schien, zog sie die Brauen hoch und fragte: »Und du?«
»Nicht mehr.«
Was so viel hieß, dass da jemand gewesen war, aber das hatte sie nicht anders erwartet, nachdem sie das Foto in seinem Schlafzimmer gesehen hatte. »Ich habe mich in deinem Zimmer umgesehen.« Ja, sie hatte herumgeschnüffelt, aber sie schämte
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