Mitternachtsmorde
gewesen. Der Boden war mit einem Teppich bedeckt, der nicht so aussah, als würde er strapaziert. Es gab mehrere Lampen, ein paar kleine Tische und am anderen Ende des Zimmers einen Schreibtisch mit einem großen, primitiven Computer sowie einem weiteren, kleinen Videoschirm. Es gab auch Bücher, alle auf Papier gedruckt. Mit zitternden Fingern nahm sie eines davon in die Hand und blätterte es durch.
Ob diese Menschen wohl wussten, wie glücklich sie sich schätzen konnten, so viele Bücher aus Papier zu besitzen? Eine der großen Tragödien des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts war, dass so vieles von ihrer Musik, ihren Büchern, ihrer Kultur auf Computerdiscs gespeichert worden war, die die Zeit nicht überdauert hatten. Innerhalb von zwei Generationen waren die Discs unbrauchbar geworden und ein großer Teil der aufgezeichneten Daten unwiederbringlich zerstört. Manches davon konnte natürlich neu erschaffen werden; Lieder konnten von anderen Sängern nachgesungen werden. Aber die Originalaufnahmen waren unwiederbringlich verloren. Manuskripte, Forschungsergebnisse … so vieles war verloren gegangen. Papier wirkte so schrecklich zerbrechlich, aber es gab jahrhundertealte Fragmente von Papieren, die bewiesen, dass es, sorgfältig behandelt, ein ideales Medium zur Speicherung von Informationen war.
Sie schaltete seinen Computer ein und wartete eine halbe Ewigkeit, während der das Gerät surrte und klickte, bis es schließlich betriebsbereit war. Gedankenverloren sagte sie: »Öffne Kommunikationsprogramm«, und lachte über sich selbst, als nichts geschah. Es existierten zwar bereits Stimmerkennungsprogramme, aber sie waren noch die Ausnahme.
Sie ließ sich vor dem Bildschirm nieder, experimentierte mit dem Betriebssystem und verfolgte fasziniert den kleinen Pfeil, der anzeigte, wo auf dem Bildschirm sie sich gerade befand. Das Computerwissen hatte sich Ende des zwanzigsten Jahrhunderts explosionsartig entwickelt, genau wie das in vielen anderen Wissenschaften, auf denen ihre Welt beruhte.
Sie scheute davor zurück, allzu viel zu verändern, weil sie Angst hatte, das System unabsichtlich zu zerstören. Sie musste auf verschiedene Symbole klicken, bis sie herausgefunden hatte, wie man dem Computer befahl, sich wieder auszuschalten.
Als Nächstes durchsuchte sie die Schlafzimmer. Sein Zimmer war größer als das, das er ihr zugewiesen hatte, und das Bett war breiter. Es war ungemacht, die Kissen waren zu Klumpen zusammengepresst, Laken und Decke zerknüllt und zur Seite geschoben. Nikita sah auf der Kommode das Foto einer hübschen jungen Frau stehen und trat näher, um es genauer zu betrachten. Die grünen Augen der Frau schienen zu lächeln und dem Betrachter ebenfalls ein Lächeln zu entlocken. Andere Fotos gab es nicht. Auf einem kleinen Tischchen neben dem Bett stand ein Telefon, daneben waren eine Lampe, zwei Bücher, eine Zeitschrift, ein fast leeres Wasserglas und eine einzelne Socke.
Etwas hatte sich in den letzten zwei Jahrhunderten eindeutig nicht verändert: die Männer.
Nachdem sie ihre Neugier gestillt hatte, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und schaltete den großen Bildschirm ein. Nach allem zu urteilen, was sie am Vorabend in ihrem Motel angeschaut hatte, konnte sie aus dem Fernsehen mehr über diese Kultur erfahren als durch ein zehn Jahre langes, intensives Studium in ihrer Zeit.
Sie ließ sich auf der Couch nieder und war gleich darauf tief und fest eingeschlafen.
Das Klingeln des Telefons schreckte sie wieder auf. Sie kletterte hastig von der Couch und lief in die Küche zum Telefon. Erst kontrollierte sie die Nummer auf der beleuchteten Anzeige, die mit der übereinstimmte, die Knox aufgeschrieben hatte. Sie drückte den Knopf, der ihr am logischsten erschien, und sagte: »Hallo.«
»Du bist also noch da.«
»Das habe ich doch gesagt.« Sie gähnte und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war eine Analoguhr, und sie war noch zu schlaftrunken, um aus den diversen kleinen Zeigestäbchen schlau zu werden. »Ich bin eingeschlafen; wie spät ist es?«
»Kurz nach sechs. Ich bin in fünfzehn, zwanzig Minuten zurück. Soll ich was zum Abendessen mitbringen?«
Sie überlegte und fragte dann vorsichtig: »Ist das denn nötig?«
»Wenn du heute Abend etwas essen willst, dann schon. Ich habe kaum noch was zu Hause.«
Nachdem sie am Nachmittag Suppe gegessen hatte, war sie nicht besonders hungrig, aber sie hatte nicht vergessen, wie gut das Mittagessen
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