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Mitternachtsmorde

Mitternachtsmorde

Titel: Mitternachtsmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die Windschutzscheibe schoss. Sie holte die Sonnenbrille heraus, setzte sie auf und hätte um ein Haar erleichtert aufgeseufzt. Dieser gebirgige Bundesstaat war zwar nicht ganz so heiß wie Florida, aber dennoch heiß genug; selbst ihre Augen sehnten sich nach Schatten.
    Trotzdem war die Gegend wirklich hübsch. Die Berge waren keine mächtigen Ungetüme wie die Rockies oder der Himalaya; sie waren älter, vom Regen und der Erosion ausgewaschen, seit vor Milliarden von Jahren die tektonischen Platten darunter zusammengestoßen waren und sich aufgetürmt hatten. Alles in den Appalachen hatte etwas Altehrwürdiges, Geheimnisvolles an sich, so als hätten die vielen Jahre und die vielen Menschen, die durch diese Berge gewandert waren, etwas von ihrem Wesen zurückgelassen, das jetzt im Wind flüsterte und unter den alten Bäumen Wache hielt.
    Sie war nie zuvor in Kentucky gewesen, aber sie nahm sich fest vor, den Staat auf jeden Fall zu besuchen, sobald sie in ihre Zeit zurückgekehrt war. Sie würde in diese Gegend fahren und erkunden, was sich in zweihundert Jahren verändert hatte.
    Und vielleicht Knox’ Grab suchen?
    Sie hätte fast nach Luft geschnappt, weil sie ein scharfer Schmerz durchfuhr. Wenn sie erst wieder in ihrer Zeit war, wäre Knox für alle Zeiten verschwunden. Sie sah ihn an und konnte die Vorstellung, dass er unter der Erde lag, kaum ertragen.
    Genau deshalb waren Zeitreisen mit solch großen Gefahren verbunden: nicht nur wegen der physischen Risiken oder weil man versucht war, vergangene Ereignisse abzuändern, an denen lieber nicht gerührt werden sollte, sondern auch, weil die Zeitreisenden Menschen waren, die beim Transit nicht alle Emotionen zurücklassen konnten. Menschen gingen Bindungen ein; das war eine grundlegende Wahrheit. Sobald Menschen aus verschiedenen Zeiten lang genug in Kontakt waren, mussten Bindungen entstehen. Was würden die Menschen alles unternehmen, um diese Bindungen zu bewahren? Es war streng untersagt, jemanden aus der Vergangenheit mitzunehmen. Man hatte Gesetze erlassen, die es den Reisenden verboten, in der Zeit zu bleiben, die sie besuchten. Falls jemand nicht freiwillig zurückkehrte, wurde ein Rückholteam losgeschickt, um ihn zu suchen.
    Tatsächlich hatte man mit diesen Gesetzen möglicherweise eine ganz neue Klasse von Kriminellen geschaffen. Noch hatte niemand gegen die Vorschriften verstoßen; mehrmals hatte man Reisende retten müssen, weil ihre Manschetten kaputt oder verloren gegangen waren oder weil sie aus anderen Gründen nicht zurückkehren konnten, aber noch niemand war aus freien Stücken in der Vergangenheit geblieben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das jemand wollen würde oder bis jemand aus der Vergangenheit in die Zukunft reisen wollte. Weil niemand wusste, welches Chaos sich daraus ergeben würde, hatte der Rat strikte Vorschriften und Gesetze gegen solche Cross-Timer erlassen.
    Also konnte sie nicht hier bleiben, und Knox konnte nicht mit ihr kommen.
    Knox hielt am Straßenrand an und holte sie damit schlagartig in die Jetztzeit zurück. Sie sah sich um und erkannte links von der Straße am Ende einer langen Auffahrt ein gepflegtes, weißes Haus mit ebenso gepflegten Außengebäuden und daneben einen Traktor mit vier platten Reifen. »Da drüben wohnt Jesse«, erklärte ihr Knox und deutete gleich darauf nach rechts. »Wir gehen da rauf.« Sein Blick fiel auf ihre Füße. »Ich muss dir Stiefel besorgen. Hier kriechen zu viele Schlangen herum, als dass man in Turnschuhen durchs Unterholz laufen sollte.«
    Er selbst hatte genau wie am Vortag Stiefel an. Nur für den Fall, dass er ihr befehlen wollte, im Wagen zu warten, erklärte sie ihm: »Als wir gestern in den Wald gegangen sind, hatte ich auch keine Stiefel an. Ich gehe das Risiko ein.«
    Er brummelte halblaut vor sich hin, widersprach aber nicht. Sie war erwachsen und eine Polizistin, genau wie er selbst. Sie wussten beide, dass er notfalls barfuß durch den Wald gewandert wäre.
    Sie stiegen aus, und Knox verriegelte den Wagen, ehe sie über den Graben sprangen und im Wald verschwanden. Büsche und Gestrüpp zerrten an ihren Jeans, bis sie unter dem Laubdach waren, wo das Unterholz merklich ausdünnte. Der Duft von satter Erde und das Parfüm Hunderter verschiedener Pflanzen füllte ihre Lunge. Durch das Geäst flatterten Vögel, deren quirliger Gesang zu ihnen herabwehte. Gelegentlich verriet ein leises Rascheln die Anwesenheit eines Eichhörnchens oder vielleicht einer Maus, die

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