Mitternachtspicknick
Fest am Strand und ihren Zorn auf die Feiernden. Das endlich war ihre Gelegenheit. Nun konnte sie es allen beweisen. Sie würde das Rätsel des Krähenhofes lösen - in dieser Nacht. Tom und die anderen würden fuchsteufelswild sein, aber darum brauchte sie sich nicht zu scheren. Wahrscheinlich käme sie in die Zeitung, und ihre Eltern könnten sehr stolz auf sie sein. Ganz kurz überlegte sie noch: Sollte sie zu Simone gehen?
»Komm zu mir, wenn du etwas Neues beobachtest«, hatte die Reitlehrerin gesagt. Aber sie hatte auch durchblicken lassen, dass sie Kathrins Geschichten für übertrieben hielt und ihnen nur bedingt Glauben schenkte. Am Ende holte sie sich eine kräftige Abfuhr, wenn sie jetzt mitten in der Nacht erschiene und Simone aus dem Schlaf risse. Nein, entschied sie, ich gehe allein. Nachher präsentiere ich ihr die Lösung des Rätsels, und sie wird sich ärgern, dass sie mir nicht wirklich geglaubt hat. Kathrin nahm sich nicht einmal mehr die Zeit, sich etwas Richtiges anzuziehen. Wie sie war, in Bademantel und Pantoffeln, verließ sie das Haus. Der Mond schien hell auf die Felder. Sie schlug den Weg zum Krähenhof ein.
Kurz nach Mitternacht stand auch Pat auf. Sie hatte sich die ganze Zeit lautlos Gedichte aufgesagt, um wach zu bleiben. Daher war ihr natürlich auch der Wirbel um Steffis Fest nicht entgangen. Die Mädchen, mit denen sie ihr Zimmer teilte, beide aus der Anfängergruppe, waren mit reichlichem Gepolter davongeschlichen. Pat grinste. Aha, die Anfängergruppe veranstaltet ein Mitternachtsfest!
Das braucht meine Pläne nicht zu stören, überlegte sie, die sind nun alle beschäftigt. Ich kann in Ruhe den Hund holen.
Im Grunde machte es die Sache nur einfacher. Es wäre schwierig gewesen, sich aus dem Zimmer zu schleichen, ohne dass die anderen aufgewacht wären. So musste sie gar nicht so vorsichtig sein. Sie schlüpfte in ihre Kleider, zog ihre Turnschuhe an und ergriff die Taschenlampe, die sie vorsorglich bereitgelegt hatte. Außerdem steckte sie einen Bindfaden in die Tasche. Vielleicht brauchte sie den als Leine für den Hund. Sie überlegte kurz, ob sie auf Fairytale reiten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es würde zu viel Lärm machen, das Pferd aus dem Stall zu führen.
Der Mond zeigte ihr den Weg. Sie lief schnell, rannte aber nicht, um nicht allzu sehr außer Atem zu geraten. Dort über den Acker, das könnte eine Abkürzung sein. Ihre Füße sanken tief in die weiche Erde. Als sie endlich den Krähenhof sehen konnte, hielt sie überrascht inne.
Aus einem der oberen Fenster schien Licht.
Wer ist denn um diese Zeit noch wach?, fragte sich Pat erstaunt. Es musste fast halb eins sein. Sie dachte nach. Nein, sie wollte nicht umkehren. Dem armen Hund musste endlich geholfen werden. Wenn sie vorsichtig wäre, könnte nichts passieren.
Sehr langsam näherte sie sich dem Hof. Sie hoffte, dass der Hund noch immer im Obstgarten angebunden war. Es war kaum anzunehmen, dass diese Leute ihn ins Haus holten. Hoffentlich, hoffentlich bellte er nicht!
Pat hatte den Hof fast erreicht, da tauchte aus dem Schatten der Scheune eine Gestalt auf. Sie sah sich nach rechts und links um, ehe sie geduckt über den Hof schlich. Pat runzelte die Stirn. Wer war das schon wieder? Weshalb schlich bloß immer irgendjemand über diesen Hof?
Und dann geschah plötzlich alles blitzschnell. Eine weitere Gestalt löste sich von der Scheunenwand, folgte der ersten in leisen, federnden Sprüngen. Es sah aus wie ein unheimliches Schattenspiel. Pat wollte einen Warnschrei ausstoßen, aber er blieb ihr im Hals stecken. Entsetzt beobachtete sie das Geschehen. Die zweite Gestalt hatte die erste beinahe erreicht. Mit dem nächsten lautlosen Sprung fiel sie sie von hinten an. Ein gellender Schrei hallte durch die Nacht. Es war der Schrei eines Mädchens.
Die beiden rangen ein paar Momente miteinander. Pat konnte jetzt erkennen, dass es sich um einen großen, kräftigen Mann und ein kleines Mädchen handelte. Das Mädchen hatte keine Chance. Der Mann packte es und schleppte es auf das Haus zu. Als er die Tür aufstieß, fiel Licht in den Hof. Im hellen Schein konnte Pat für einen winzigen Augenblick das Gesicht des Mädchens erkennen. Ihre Augen weiteten sich. »Kathrin?«, flüsterte sie ungläubig.
Das Mitternachtsfest am Strand hatte unterdessen seinen Höhepunkt erreicht. Die Kinder saßen im Kreis herum auf mitgebrachten Kissen und Decken. Es wehte nur ein ganz schwacher Wind, sodass sie nicht
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