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Mitternachtspicknick

Mitternachtspicknick

Titel: Mitternachtspicknick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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paar Sekunden, um diese Tatsache zu begreifen. Damit hatten sie nicht gerechnet.
    »Ja, aber wo ist sie denn?«, fragte Tina. Es klang dumpf unter ihrer Wollmütze hervor. Moni schaute sich um, als erwarte sie, die Lehrerin aus einer Ecke auftauchen zu sehen.
    »Sie ist nicht da«, bemerkte sie wenig geistreich.
    Tina nahm ihren Arm. »Wir müssen verschwinden«, zischte sie. »Sie kann jeden Moment zurückkommen, und dann ist sie wach genug, uns vielleicht festzuhalten.«
    Moni nickte. So schnell sie konnten, verließen sie das Zimmer. Sie fanden den Gedanken, dass außer ihnen noch jemand durch das Haus geisterte, nämlich Frau Jung, eher beängstigend. In ihrer Aufregung dachten sie gar nicht daran, die Masken abzunehmen.
    Sie nahmen die Hintertreppe. Auf halbem Weg hielten sie inne. Ganz deutlich konnten sie es hören. Von oben kam ihnen jemand entgegen!
    Es war Steffi, die den Schokoladenkuchen geholt hatte. Sie trug ihn vor sich her und eilte arglos die Stufen hinab.
    Urplötzlich tauchten zwei Gestalten vor ihr auf. Schwarz gekleidete Männer mit vermummten Gesichtern. Einbrecher! Steffi ließ den Kuchen fallen und schrie aus Leibeskräften. »Hilfe! Hilfe! Einbrecher! Hilfe, helft mir doch!«
    »Um Gottes willen, sei doch still«, rief Tina, aber das klang so dumpf und unheimlich unter der Wolle hervor, dass Steffi die Sprecherin nicht erkannte und nur noch lauter schrie. An einen Rückzug war nicht mehr zu denken. Überall wurden Türen geöffnet, flammten Lichter auf, erschienen verschlafene Gestalten.
    »Was ist los? Wer schreit denn so? Ist etwas passiert?« Ein Dutzend Stimmen schwirrten durcheinander.
    Über allen klang scharf und klar Frau Andresen: »Was ist das für ein Lärm? Wer hat geschrien?«
    Im Licht des Treppenhauses bot sich allen Anwesenden ein seltsames Bild: Oben auf der Treppe stand Steffi mit weit aufgerissenen Augen. Vor ihr lag ein zerbrochener Teller und ein in tausend Stücke zerbröselter Kuchen. Am Fuße der Treppe standen zwei schwarz gekleidete Mädchen, die sich soeben ihre Mützen von den Gesichtern zogen. Hervor kamen die erhitzten, verlegenen Gesichter von Tina und Moni.
    Frau Andresen schnappte nach Luft. »Was geht hier vor?«, fragte sie streng.
    Steffi, Tina und Moni sahen einander an. Keine wusste, was sie sagen sollte.
    »Tina! Ich verlange eine Erklärung«, sagte Frau Andresen. »Weshalb treibt ihr euch mitten in der Nacht hier herum? Und was soll diese merkwürdige Verkleidung?«
    »Ich ... wir ... wollten jemanden erschrecken«, stotterte Tina.
    Frau Andresen starrte sie an. »Wen wolltet ihr denn erschrecken?«
    »Frau Jung«, murmelte Tina verstört.
    »Frau Jung?«
    »Ja ...«
    »Ihr wolltet in diesen Masken in ihr Zimmer schleichen? Ja, weshalb wolltet ihr sie denn so erschrecken?«
    »Wir ... hatten uns über sie geärgert ...« Tina flüsterte nur noch.
    Frau Andresen sah sehr ärgerlich aus. »Ach nein«, sagte sie spöttisch. »Ihr hattet euch also über sie geärgert. Da musstet ihr natürlich etwas gegen sie unternehmen. Und weshalb habt ihr euch plötzlich anders besonnen?«
    Tina war ein impulsives und ehrliches Mädchen. »Wir haben uns nicht anders besonnen«, erklärte sie leise. »Wir waren in Frau Jungs Zimmer. Bloß - sie war nicht da!«
    Diese letzten Worte hörte Tom, der von dem Lärm aufgewacht und aus seinem Zimmer gekommen war. Frau Jung war nicht in ihrem Bett gewesen - um diese Zeit! Das war ja höchst interessant. Nach allem, was er wusste, konnte das nichts Gutes bedeuten.
    Frau Andresen schien jetzt auch ein wenig verwirrt. »Sie war nicht in ihrem Zimmer? Nun, das wird sich noch klären.« Sie wandte sich an Steffi. »Und was hast du mit der Angelegenheit zu tun? Weshalb rennst du mit Kuchentellern in der Gegend herum?«
    Steffi hatte das Gefühl, dass es keinen Sinn hätte zu schwindeln. »Ich ... habe Geburtstag, Frau Andresen«, sagte sie zögernd.
    »Herzlichen Glückwunsch«, gab Frau Andresen trocken zurück. »Und weiter?«
    Steffi gab sich einen Ruck. »Wir feiern. Ich habe einige von uns zu einer ... Party eingeladen.«
    »Und wo findet die statt?«
    Jetzt schlug Steffi die Augen nieder. »Am Meer«, sagte sie unglücklich.
    Frau Andresen schnappte nach Luft. Wirklich erstaunlich, was in diesem Haus nach Mitternacht noch alles geschah. Verschwundene Lehrerinnen, eine Party am Strand, zwei Mädchen, die als Einbrecher verkleidet umherschwirrten ...
    »Über all das werden wir morgen sehr ernst zu reden haben«, sagte sie.

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