Mitternachtsschatten
einen Waffenstillstand aushandeln, Jilly?“ fragte Coltrane gelangweilt. „Das hier ist ein großes Haus. Es wird Ihnen kaum auffallen, dass ich hier bin.“
„Das glaube ich kaum.“
„Warum? Warum störe ich Sie so? Oder ist es eher so, dass
ich Sie nervös mache?“
„Bilden Sie sich nur nichts ein, Coltrane“, sagte sie schnippisch. „Sie sind nicht mein Typ.“
„Da haben Sie sicher Recht. Ich bin schließlich nicht so ein langhaariger, eingebildeter Mistkerl wie Alan Dunbar, nicht wahr?“
„Nein, Sie sind ein blond gefärbter, gieriger Mistkerl“, schoss sie zurück. „Außerdem sollten Sie die Ansichten meines Vaters über meinen Exmann nicht so kritiklos übernehmen.“
„Keineswegs. Aber ich habe mit Ihrem Ex einige Male zu tun gehabt. Jedes Mal versucht er, noch mehr Geld aus Meyer rauszuquetschen.“
Das war ein Hieb in den Magen. Sie war nun seit zweieinhalb Jahren von Alan geschieden, und Coltrane lebte erst seit einem Jahr in der Stadt. Der Schmerz, betrogen worden zu sein, war schon lange zur Wut über ihre eigene Dummheit geworden. „Ich hoffe, Sie verhindern, dass er noch etwas bekommt“, sagte sie scheinbar kühl.
„Kommt darauf an, was für Beweise er vorlegt. Ich kann nicht viel über Ihren Geschmack, was Männer angeht, sagen, aber vielleicht sollten Sie es zur Abwechslung mal mit einem blond gefärbten, gierigen Mistkerl versuchen.“
„Das glaube ich kaum.“
„Was glaubst du kaum?“ Dean war zurück und reichte Coltrane ein großes Glas, bevor er sich ihm gegenüber hinsetzte. „Habe ich etwas verpasst?“
„Jilly und ich sind dabei, uns friedlich zu einigen“, sagte Coltrane. „Solange ich mich nicht in ihre Angelegenheiten einmische, darf ich bleiben.“
Dean zog eine Augenbraue hoch. „Seien Sie nicht lächerlich, Coltrane. Wir leben in einer Demokratie, selbst wenn Jilly so tut, als sei sie das Alpha-Tier in unserem kleinen Rudel. Ich habe nichts dagegen, dass Sie bleiben, und Rachel-Ann sicher auch nicht. Jillys Meinung ist in diesem Fall unerheblich.“
„An Ihrer Stelle würde ich so etwas nicht sagen.“ Coltranes Stimme war sanft. „Jillys Meinung ist in keinem Falle unerheblich, Dean.“
Er macht mich komplett wahnsinnig, dachte Jilly verzweifelt. Kurz spielte sie sogar mit dem Gedanken, sich Jackson zu Füßen zu werfen, nur um ihn loszuwerden. Leider kannte Jackson aber keine Gnade, er war unerbittlich, wenn er einmal eine Entscheidung getroffen hatte. Ist ja auch egal, dachte sie, gleich kommt Rachel-Ann nach Hause, Coltrane wird völlig hingerissen sein, und dann ist er nicht mehr mein Problem. Jedenfalls so lange nicht, bis Rachel-Ann seinetwegen wieder rückfällig wird und mit dem Trinken anfängt.
„Wo wir gerade von Alpha-Tieren sprechen, hast du etwas vom Tierarzt gehört?“ Sie wechselte das Thema.
„Aber ja“, sagte Dean. „Du kannst Roofus jederzeit abholen. Obwohl die Praxis jetzt bestimmt schon geschlossen hat.“
Jilly widerstand dem Wunsch, ihm den Eistee ins Gesicht zu schütten. „Wann hat er denn angerufen?“
„Gestern. Du hättest mich ja früher fragen können.“
Sie starrte ihn an. „Vielleicht ist ja noch jemand da.“ Sie stieß den Eisenstuhl nach hinten, der ein kreischendes Geräusch machte, und stand auf.
„Wer ist Roofus?“ fragte Coltrane interessiert.
„Ihr blöder, viel zu großer Hund,“ maulte Dean.
„Was hatte Ihr Hund denn? Ist er wieder in Ordnung?“
Dean schnaubte amüsiert. „Sie kennen Jilly schon recht gut, was?“
Sie ließ die verzierte Eisentür hinter sich zufallen und verfluchte alle Männer dieser Welt.
Wenigstens dieses eine Mal war das Schicksal ihr wohlgesonnen. Dr. Parkers Praxis hatte noch nicht geschlossen. Roofus war so glücklich, sie zu sehen, dass er sie von oben bis unten abschleckte und dabei fast umwarf.
Dean verabscheute Roofus sowohl wegen seiner Abstammung als auch wegen seiner Größe. Vermutlich eine Kreuzung aus einem altenglischen Hirtenhund, einem Bernhardiner und noch ein paar anderen undefinierbaren Rassen, war er ein riesiges, zottiges, freundliches und begeisterungsfähiges Tier. Er haarte wie verrückt, sabberte und begann zu knurren, sobald Dean auch nur in seine Nähe kam. Dean hingegen verweigerte ihm den Zutritt zu seinen Räumen, und Roofus betrat sie nur, wenn er besonders schmutzige Pfoten hatte. Er war eben ein sehr intelligenter Hund.
Als Jilly wieder nach Hause kam, war der Range Rover verschwunden. Sie atmete erleichtert auf.
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