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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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fröhlich, „aber wenn du es wissen musst: Ich war bereits heute Nachmittag dort. Jetzt will ich nur meine Ruhe.“
    Jilly konnte ihre Stimmen hören. Fröhliche Männerstimmen, die sich langsam der Küche näherten, und aus ihrer Besorgnis wurde Panik. Am liebsten hätte sie Rachel-Anns schmale Hand genommen und ihre Schwester zur Hintertür rausgezogen. Roofus hob mit einem warnenden Knurren den Kopf, wahrscheinlich ahnte er, dass sie dem Untergang geweiht waren. Er mochte Dean nicht, und zweifellos würde er auch Coltrane ablehnen.
    „Wie wäre es mit einem Spaziergang?“ schlug sie verzweifelt vor. Roofus sah hoffnungsvoll auf, aber Rachel-Ann, die eigentlich gemeint war, ignorierte sie und richtete sich mit einem Glitzern in den Augen auf. Jilly kannte dieses Glitzern nur allzu gut, und ihr Mut sank.
    „Ich will den Pizzamann kennen lernen“, sagte Rachel-Ann.
    Jilly beobachtete fasziniert ihre Verwandlung, die sich immer dann einstellte, wenn ein attraktiver Mann in ihrer Nähe war. Obwohl, so gut musste er nun auch wieder nicht aussehen, im Grunde bekam jeder Mann von ihrer Schwester das komplette, prachtvolle Programm. Wenn Rachel-Ann allein war, wirkte sie klein, zart und mädchenhaft. Doch kaum war ein Mann in Sicht, schüttelte sie ihr rotgoldenes Haar, hielt die Schultern gerade und zauberte ein verführerisches Glänzen in ihre Augen. Sie verwandelte sich innerhalb von Sekunden von einem Entlein in einen wunderschönen Schwan, und als Dean und Coltrane die Küche betraten, glühte sie bereits vor Sinnlichkeit.
    Jilly rührte sich nicht, sie erstarrte wie ein Gaffer an einer Unfallstelle. Coltrane hatte eine Flasche Bier in der Hand und lauschte ein wenig abwesend den heiteren Anekdoten, die Dean ihm erzählte. Er schaute Jilly direkt in die Augen, dann schwenkte sein Blick zu Rachel-Ann, die inzwischen eine geradezu greifbare Hitze ausstrahlte.
    Es war sogar schlimmer, als Jilly es sich vorgestellt hatte. Dean hörte auf zu plappern, die plötzliche Stille erfüllte den Raum, und eine unglaubliche Spannung entwickelte sich zwischen Rachel-Ann und Coltrane. Sie war so intensiv, dass man fast Funken fliegen sehen konnte. Selbst Roofus spürte es, rappelte sich auf und knurrte leise, als Coltranes Flasche auf dem alten Steinboden zerschellte.
    Rachel-Ann war es gewöhnt, eine solche Wirkung auf Männer zu haben. Normalerweise drehte sie dann einfach die Wattzahl noch etwas höher, auf eine mörderische Stufe. Doch diesmal war alles anders. Jilly konnte sehen, wie sie sich mit einem Mal zurückzog und sich vom Schwan in ein Entlein zurückverwandelte. Sie setzte sich wieder, fuhr sich mit einer einfachen Bewegung durch ihr Haar und murrte ein „Hallo“.
    Roofus knurrte weiter, Dean wirkte gereizt, und Coltrane sah aus, als hätte ihm jemand direkt ins Gesicht geschlagen. Erstaunlich war nur, dass er auf Rachel-Ann offenbar nicht den geringsten Eindruck machte.
    Jilly zwang sich, die eigentümliche Stille zu durchbrechen. „Sitz“, sagte sie zu Roofus, und der Hund ließ sich mit einem finsteren Blick wieder unter dem Tisch nieder. „Dean, willst du Coltrane nicht vorstellen? Ich werde inzwischen einen Lappen besorgen, um das Bier aufzuwischen, und die Scherben entfernen.“
    Sie wollte nur so schnell wie möglich dieser seltsamen, schweren Spannung zwischen der Schlange und ihren Geschwistern entkommen. Als sie mit Lappen, Schaufel und Besen bewaffnet zurückkehrte, schien alles wieder in Ordnung zu sein. Coltrane hatte sich auf ihren Platz gesetzt und streichelte Roofus’ riesigen Kopf. Jilly erstarrte, als sie sah, wie seine schlanken Finger über den mächtigen Nacken des Hundes fuhren. Das fehlte gerade noch. Roofus mochte ihn also. Er verachtete ihren Exmann und ihren Vater, was eigentlich bewies, dass er Charaktere ganz gut einschätzen konnte, und jetzt fiel er auf Coltrane herein. Sie wollte die Scherben auffegen, doch dann musste sie feststellen, dass das bereits geschehen war. Keines ihrer Geschwister würde jemals einen Finger krumm machen, um etwas aufzuwischen!
    Rachel-Ann wirkte über alle Maßen gereizt. „Ich gehe noch aus“, rief sie. „Will mich jemand begleiten?“
    Jilly vermutete, dass diese Einladung Coltrane galt. Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, Ja zu sagen. Natürlich wusste sie, dass Rachel-Ann kaum Lust haben würde, ihre Schwester mitzunehmen. Zum Glück kam Dean ihr zuvor. „Coltrane und ich haben einen langen Abend vor uns“,verkündete er.

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