Mitternachtsschatten
sprachen, diese erbärmlichen, blasierten, schmutzigen Wichte, die vor Jahrzehnten das La Casa bevölkert und seine Schönheit zerstört hatten. Sie behaupteten, sie hätte Angst gehabt, ihr Aussehen zu verlieren, ihre Karriere und ihren Liebhaber, deshalb hatte sie erst ihn und dann sich umgebracht. Sie lachten über sie, über diese dumme Filmdiva mit ihren leeren Werten, und sie hatte sie angeschrien und zu schlagen versucht. Aber natürlich hatten sie nicht einmal gemerkt, dass es sie gab, obwohl sie gerne behaupteten, dass die beiden Geister des La Casa geradezu Furcht erregend seien. Wenigstens hatte Ted all das nicht gehört. Er war lieber hinuntergegangen, um den „bösen Mann“ zu beobachten. Der „böse Mann“ war viel schrecklicher, als sie jemals sein könnten, auch wenn Rachel-Ann jedes Mal in dumme Panik ausbrach, wenn sie sich ihrer bewusst wurde.
Er war so jung gewesen, so gut aussehend, so charmant. Und die jungen Hippies, die sich überall im La Casa ausbreiteten, vergötterten ihn. Brenda hatte diese Art von Charisma schon zuvor erlebt. Sie selbst war zwar zu jung, um mit Valentino gedreht zu haben, aber sie kannte einige Schauspieler, die diese außerordentliche Ausstrahlung hatten. Wenn der „böse Mann“ beschlossen hätte, sein Schauspieltalent zu nutzen, hätte er es ganz bis an die Spitze geschafft. Sie sah, wie er seine Anhänger manipulierte, belog und betrog, und keiner von denen hatte auch nur die geringste Ahnung, was hinter seiner charmanten Fassade vorging. Das lag nicht nur daran, dass sie alle möglichen Drogen konsumierten und deshalb so leichtgläubig waren. Nein, sie behandelten den „bösen Mann“ einfach so, als wäre er ein Gott. Doch sie ahnten nicht, wozu er fähig war.
Die meisten dieser erbärmlichen Idioten hatten ihn bei dem Verbrechen nicht beobachtet, so wie sie und Ted. Brenda fragte sich nie, was mit dem jungen Mann, der Gitarre spielte und wie ein Engel sang und permanent Drogen in seinen Arm jagte, geschehen war. Und keiner wusste von dem rothaarigen Mädchen, das den „bösen Mann“ beim Badehaus getroffen und das er im Pool ertränkt hatte. Verzweifelte hatte sie ihm das Gesicht zerkratzt. Und er war kurz davor gewesen, das Baby einfach hinter seiner Mutter her ins Wasser zu werfen. Erst nach einem langen, entsetzlichen Augenblick war er einen Schritt zurückgetreten, das Baby noch immer in seinen Armen.
Brenda hatte ihr Gesicht gegen Teds Brust gedrückt und vor Entsetzen gezittert, weil sie so hilflos war. Die Frau war bereits tot, lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser, und sie hatte nichts tun können, als zuzusehen. Wenigstens war das Baby sicher. Aber für wie lange? Vielleicht hatte er ja nur einen neuen Plan gefasst, um es loszuwerden.
Während das Kleine sich die Seele aus dem Leib schrie, zog er die Leiche der Frau aus dem Pool und warf sie in den Kofferraum seines Autos. Sie und Ted standen erstarrt und hilflos daneben, bis sie sich endlich von ihm losmachte. „Ich kann es nicht ertragen“, rief sie, lief um das Becken und kniete sich neben das menschliche Bündel, das dort lag und erbärmlich schrie. Natürlich wusste sie, dass sie unsichtbar war, und dass niemand sie hören konnte. Aber trotzdem streckte sie ihre Arme aus und berührte das jammernde Kind, streichelte es zärtlich, und zu ihrer Überraschung begann es, sich zu beruhigen, und schluchzte nur noch leise.
„Armes kleines Baby“, summte Brenda und fühlte, wie ihr Herz schmolz. Sie selbst hatte keine Kinder, das Filmstudio hatte ihr verboten, während ihrer beiden kurzlebigen Ehen schwanger zu werden, und als sie jetzt dieses kleine Bündel sah, hätte sie es zu gerne in die Arme genommen und fest gegen ihren Körper gepresst. Aber das war nicht möglich. Es gab ja keine Körperwärme, die das Kind beruhigen, keine Stimme, die das Kind hören konnte. Das Schluchzen verebbte, und das Baby konzentrierte sich aufmerksam auf die Augen, die es nicht sehen konnte. „Armes Baby“, wisperte sie, streichelte das Gesicht, die kleinen Ärmchen und die Hände. Die Finger des Babys umschlossen ihre und drückten ganz fest zu.
Der Mann rannte einfach durch sie hindurch, als er zurückkam, und das Kind fing wieder zu schreien an. Brenda schlug auf den Rücken des Mörders ein, kreischte ihn an, aber er bemerkte nichts. Sie hätte genauso gut eine Fliege sein können, die auf seinen Kopf trampelte. Er lief mit dem Baby im Arm davon. Sie versuchte, ihm zu folgen, doch sobald er das
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