Mitternachtsschatten
dass sie mit Coltrane im La Casa gefangen war.
Andererseits sah sie es nicht ein, dass er sie aus ihrem Haus vertreiben sollte. Das La Casa bedeutete ihr viel zu viel. Seit Jahren kämpfte sie für den Erhalt und würde es nicht dem ersten Eindringling hinterlassen, der sie mit Sex besiegen wollte. Zwar hatte er offenbar kein Interesse am Haus, aber sie hatte auch keine Ahnung, was zum Teufel er eigentlich wirklich wollte. Rachel-Ann, wie sie zunächst gedacht hatte, ja offenbar nicht, und sie, Gott sei Dank, auch nicht. Dessen war sie sich sicher; die letzte Nacht war nur ein Unfall gewesen, ein Irrtum. Vielleicht versuchte Coltrane ja einfach, sich in ihrer Familie einzuschleichen, um sich unentbehrlich zu machen. Aber er musste doch wissen, dass Meyer nichts auf seine Familie gab. Was also wollte er? Und wie zum Teufel konnte sie ihn loswerden? Indem sie ihm gab, was er wollte? Leider sah es so aus, dass gerade das gar nicht in ihrer Macht lag.
Sie setzte sich auf den feuchten Sand, beobachtete die Wellen, und Roofus kam angerannt und ließ sich neben sie fallen. Sie hatte zwei Möglichkeiten: den Schwanz einziehen und wegrennen oder das Problem aussitzen. Also hatte sie doch keine Wahl, da sie ihm das Haus, ihre Geschwister oder ihr eigenes Leben nicht überlassen wollte. Am wichtigsten war, ihre Selbstachtung nicht zu verlieren. Wenn sie jetzt davonlaufen würde, könnte sie nie mehr in den Spiegel blicken.
Sie hatte schließlich auch das Drama mit Alan überlebt. Dagegen war Coltrane doch ein Waisenknabe. Oder? Abgesehen von dem unglücklichen Umstand, dass das Petting mit ihm erregender gewesen war als der komplette Akt mit Alan.
Die Sonne bewegte sich langsam auf den Horizont zu. Am liebsten wäre Jilly hier geblieben und hätte zugesehen, wie sie sich in einen roten Ball verwandelte und im unruhigen Pazifik versank. Aber je länger sie es hinauszögerte, umso härter würde es werden. Sie stand auf, was Roofus sofort als Zeichen verstand, dass sie mit ihm spielen wollte.
„Komm schon, Baby“, sagte sie und lief den Weg zurück zum Auto. „Es ist Zeit, nach Hause zu gehen und sich diesem Mann zu stellen.“ Und Roofus, diese gefühllose Kreatur, bellte glücklich und rannte voraus.
15. KAPITEL
„I ch würde zu gerne wissen, warum ich so nervös bin“, sagte Brenda und streckte ihre Hand nach Teds allgegenwärtiger Zigarette aus.
„Aber Liebes, du bist samstagabends doch immer nervös, und das weißt du selbst am besten. Das liegt an deiner katholischen Erziehung. Am liebsten würdest du jetzt eine Messe besuchen.“
Sie blitzte ihn wütend an. „Wohl kaum. Ich bin nicht mehr in die Kirche gegangen, seit ich mich mit dir einließ! Man kann doch nicht seine Sünden beichten, die Buße akzeptieren und dann nach Hause gehen und wieder von vorne anfangen.“
„Ich habe dir so oft gesagt, dass ich derjenige bin, der verheiratet war. Nicht du. Also bin ich es, der Ehebruch begangen hat“, sagte Ted freundlich.
„Die katholische Kirche sieht das nicht ganz so“, beharrte sie. „Wenn es um Buße geht, kann man da wirklich nicht rumfeilschen. Außerdem, wenn man vorhat, seine Sünden zu wiederholen, ist es Zeitverschwendung, sie zu beichten.“
„Tut mir Leid, Liebling.“
Sie lächelte ihn an. „Es muss dir nicht Leid tun. Du bist kein bösartiger Verführer. Und ich bereue nicht eine einzige Sekunde.“
Nicht einmal die Sekunde meines Todes, dachte sie. Sie saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer, sie hatte ihre Füße auf seinen Schoß gelegt, und er gab ihr durch die Seidenstrümpfe hindurch eine herrliche Fußmassage. Wie oft hatte sie beobachtet, dass ihre Mädchen lieber Strumpfhosen trugen, aber die waren nicht halb so erotisch. Trotzdem wäre es schön gewesen, lange genug zu leben, dass sie das auch noch hätte ausprobieren können. Ich wäre jetzt eine alte Frau, dachte Brenda. Eine sehr, sehr alte Frau, faltig und hässlich. Es war doch ein Segen, dass Ted sie niemals als altes Weib sehen würde. Sie würde für immer so wunderschön aussehen, sie war im besten Alter gestorben. Mit siebzehn war sie sehr hübsch gewesen, mit dreiundzwanzig schön. Dreiunddreißig war sie, als sie das Zeitliche segnete, und wenn sie sich damals ganz dicht vor den Spiegel stellte, konnte sie sehen, dass ihre wunderschöne Haut bereits ein wenig an Elastizität verloren hatte.
Die Leute dachten natürlich, dass das der Grund war, warum sie ihn umgebracht hatte. Sie hatte gehört, wie sie darüber
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