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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Rechnung schicken lassen, weil du ja diesen Monat mit den Haushaltsausgaben dran bist.“
    Seit 1998 war sie ununterbrochen dran mit den Haushaltsausgaben.
    „Fein“, wiederholte sie, zu erschöpft, um zu streiten. „Dann lass es uns hinter uns bringen.“
    Sie wollte ins Wohnzimmer gehen, aber Dean packte sie am Arm.
    „Willst du dir nicht etwas … Festlicheres anziehen?“
    Jilly starrte ihre verwaschenen Jeans an, das ausgebeulte Sweatshirt und ihre bloßen Füße und zuckte die Achseln. Ihr Haar hing in einem dicken Zopf über ihren Rücken, ihr Gesicht war von der Herbstsonne und dem Meereswind gerötet, und es war ihr völlig egal. Sie wollte sich garantiert nicht für Coltrane herausputzen.
    „Wenn diese Dinnerparty so zwanglos ist, dann sollte dir doch gleichgültig sein, was ich trage“, sagte sie und drückte sich an ihn, bevor sie es sich noch anders überlegen konnte. Bei jedem anderen hätte sie einen Verkupplungsversuch vermutet, aber das war in diesem Fall völlig ausgeschlossen. Dean war zu sehr auf sich selbst fixiert, um auch nur die geringste Ahnung zu haben, was in seiner Schwester vorging, oder gar in ihr Leben einzugreifen. Er würde nie auf den Gedanken kommen, dass sie sich auch nur im Mindesten zu Coltrane hingezogen fühlte.
    Jilly wollte sich gerade auf das andere Sofa setzen, als Dean sie unsanft neben Coltrane schubste. „Du sitzt hier, Jilly, Rachel-Ann wird neben mir sitzen.“
    „Ich will nicht neben …“
    „Sei nicht so eine Plage, Jilly“, fuhr Dean sie an. „Coltrane hat keine Läuse. Herrgott nochmal, setz dich hin und hör auf, so ein Theater wegen nichts zu machen.“
    Wenigstens ignorierte Coltrane sie, er konzentrierte sich noch immer auf die Stelle hinter Roofus’ Ohr. Einen Moment spielte Jilly mit dem Gedanken, offen zu rebellieren, hielt es dann aber für unklug. Wenn sie sich so aufführte, würde er annehmen, dass ihr die letzte Nacht viel bedeutete. Dabei war ja nichts geschehen, abgesehen von einem kleinen, peinlichen … Experiment, das man am besten gleich wieder vergaß. Sie musste sich nur genug anstrengen.
    „Na gut“, murrte sie und setzte sich neben Coltrane aufs Sofa. Roofus drehte sich zu ihr um, legte seinen großen Kopf auf ihre Hand und blickte sie liebevoll an. „Verräter“, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch. Sie ignorierte Coltrane. Vermutlich grinste er sie selbstgefällig an, und sie hätte ihm am liebsten den Kerzenleuchter auf den Kopf geschlagen und dann den ganzen Glastisch umgeworfen … Das waren ziemlich gewalttätige Gedanken, die sie natürlich nicht ausleben würde. Schließlich wollte sie besonnen und undurchschaubar wirken. Je länger sie sich zwang, Coltrane nicht anzusehen, umso schwerer wurde es.
    „Was möchtest du gerne trinken, Jilly? Cognac?“ fragte Dean zuvorkommend.
    „Nein!“ Sie schrie fast. Cognac war schließlich der Grund für die Katastrophe letzte Nacht gewesen. „Einfach einen Eistee, danke.“
    Zu spät wurde ihr klar, dass Dean das Zimmer verlassen musste, um ihr das Getränk zu holen. Dass sie mit Coltrane alleine zurückbleiben würde. Gerade wollte sie ihn davon abhalten zu gehen, doch da war er schon verschwunden und überließ sie ihrem Schicksal.
    „Der Cognac kann nichts dafür“, sagte Coltrane.
    Sie nahm all ihren Mut zusammen, drehte sich zur Seite und sah ihn an. Zumindest grinste er nicht wissend. „Wofür?“ fragte sie, und ihre Stimme war eiskalt.
    „Haben Sie noch immer nicht gelernt, dass es nicht gut für Sie ist, mich herauszufordern?“ fragte er freundlich. „Das gestern lag nicht am Cognac.“
    Sie drückte sich in die hinterste Ecke des Sofas, zog die Beine an und verbarrikadierte sich so gegen ihn. „Müssen wir wirklich darüber sprechen?“ fragte sie betont gelangweilt.
    „Nein“, antwortete er. „Wir müssen einfach nur zu Ende bringen, was wir begonnen haben.“
    Er hatte Glück, dass genau in diesem Augenblick Rachel-Ann erschien, sonst hätte sie ihm den Kerzenleuchter auf den Kopf geschlagen.
    „Sitzt ihr zwei nicht nett beisammen!“ rief Rachel-Ann und rollte sich auf dem anderen Sofa zusammen. Sie trug ein einfaches schwarzes Etuikleid und sah lebendiger aus, als Jilly sie seit Monaten gesehen hatte. Sie erforschte das Gesicht ihrer Schwester mit einem furchtsamen Blick, doch sie konnte kein verräterisches Glitzern in ihren grünen Augen entdecken, keinen schlaffen Zug um ihren Mund. Jilly war schon so geübt, dass sie mit einem Blick erkennen

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