Mitternachtsschatten
Grundstück verließ, musste sie aufgeben, sie war an diesem Ort gefangen. Sie konnte nichts tun, als in Teds Armen zu weinen.
Der „böse Mann“ kehrte nie mehr in die Casa de las Sombras zurück, was zumindest ein schwacher Trost war. Erst viele Jahre später, als die alte Dame das Haus kaufte und die Mädchen und den Bruder mitbrachte, begannen Brenda und Ted sich wieder besser zu fühlen.
Falls sie für ihre Sünden bestraft werden sollten, dann war das eine der schlimmsten Strafen gewesen, die sie noch immer verfolgte. Schlimm genug, dass sie auf der Erde gefangen waren wegen ihres Verbrechens. Viel schlimmer war es aber, Zeuge eines Mordes zu werden und nichts dagegen tun zu können. Nicht in der Lage zu sein, ihm das Baby zu entreißen. Sie wäre eine gute Mutter gewesen, wenn sie gedurft hätte. Wie vertrauensvoll das Kind sie angesehen hatte …
„Warum seufzt du so, Süße?“ fragte Ted und massierte ihre Zehen.
„Ich habe nur in alten Erinnerungen gegraben“, antwortete sie ehrlich.
„Tu das nicht, Liebes. Das ist Zeitverschwendung. Wir können nichts mehr ändern, das hast du mir selbst doch so oft gesagt. Es ist passiert, wir sind hier, und wir machen das Beste daraus. So lange ich dich habe, bin ich glücklich. Du bist alles, was ich brauche.“
Allerdings hatte er auch keine andere Wahl. Seit fast fünfzig Jahren hatte sie dieses Geheimnis vor ihm gehütet. Die Wahrheit über ihrer beider Tod. Wenn er wüsste, was tatsächlich passiert war, wäre er dann noch glücklich? Wenn er die Möglichkeit hätte zu gehen, würde er sie verlassen? Sie wollte nicht darüber nachdenken.
Brenda sah sich im Wohnzimmer um. Im verblassenden Tageslicht sah es fast so herrlich aus wie in den guten alten Tagen, als sie und Ted die Schönen und Mächtigen hier bewirtet hatten. Im schattigen Licht konnte man die Risse in den Polstern kaum sehen. Die beiden Sofas standen einander gegenüber, in der Mitte befand sich ein Couchtisch aus Glas mit den beiden silbernen Kerzenleuchtern. Den einen hatte sie vom Drehort ihres letzten Filmes „Die verschwundene Erbin“ geklaut, Ted ließ den anderen mitgehen. Sie hatte diese beiden Leuchter immer geliebt, es war reines Glück, dass sie während der „Besetzung“, wie sie es nannte, nicht verschwunden waren. Sie hatte Angst gehabt, dass die Typen sie für Drogen verscherbeln würden. Doch sie waren noch hier, und auch wenn niemand jemals die Kerzen anzündete, so erinnerten sie an die süße Vergangenheit.
„Was glaubst du, hat dieser Junge im Sinn? Ich kann ihm bis heute einfach nicht vertrauen“, sagte Ted.
„Das liegt nur daran, dass du Homosexuelle nicht magst. Er ist völlig harmlos. Er verbringt all seine Zeit an diesen lächerlichen Computern. Und ich bin überzeugt davon, dass er seine Schwestern wirklich gerne hat.“
„Der Hund kann ihn nicht leiden. Ich auch nicht.“
„Pssst“, zischte Brenda, als eine große Gestalt im Schatten der Halle auftauchte.
„Sei nicht albern, Liebling. Er kann uns weder sehen noch hören.“
Es war der Mann, der auf dem Sofa gelegen hatte, dieser gut aussehende Coltrane. Brenda wackelte hingebungsvoll mit den Zehen, als er auf das Sofa zuging. „Sehr gut. Meinst du, es wäre ihm peinlich, wenn er wüsste, dass wir ihn letzte Nacht beobachtet haben?“
Ted betrachtete ihn. „Das bezweifle ich. Er ist ein abgebrühter Kerl. Und er wird sich jeden Moment auf uns setzen.“
„Dann komm.“ Brenda sprang genau in dem Moment auf, in dem Coltrane sich auf die Couch warf, und zog Ted mit sich hoch. Er sah sich um, auf seinem Gesicht ein abwesender Ausdruck. Und dann begann er, frech zu grinsen.
„Er ist nicht halb so abgebrüht, wie du glaubst“, sagte Brenda und setzte sich auf den Klavierdeckel. Das Nachthemd umspielte ihre langen Beine. „Er mag sie.“
„Dann hat er einen guten Geschmack“, antwortete Ted. „Aber ich glaube nicht, dass er gut genug für unsere Mädchen ist.“
„Er ist besser als das, was sie sonst so anschleppen“, murmelte sie. „Sieh dir Jillys Exmann an. Ein absoluter Vollidiot.“
Coltrane lehnte sich nach vorne, zündete die Kerzen an. Der Raum wurde von einem sanften, romantischen Schein erhellt. In dem Kerzenlicht sah er noch attraktiver aus, aber Brenda beschloss, das Ted gegenüber nicht zu erwähnen. Ein wenig Eifersucht hatte seine Vorteile, doch heute Abend war sie nicht in der Stimmung für Spielchen. Ted hatte Recht, sie vergrub sich zu sehr in der Vergangenheit. Und
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