Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren
behandelte ihre Freundin respektvoll und könnte dem einen oder anderen menschlichen Arzt Nachhilfeunterricht geben.
Dankbar lächelte sie Kendrick an. Seine Kraft umhüllte sie, beruhigte sie bis in die letzte Körperzelle. Was für ein Chaos. Sie war einfach durcheinander.
„Bist du dir sicher?“, flüsterte er in ihr Ohr.
Sie musste auf ihre Gedanken achten.
Er lief mir ihr eine Treppe hinunter, die in ein Gewölbe führte. Natürlich konnte es kein normaler Keller sein.
„Was ist das für ein Ort? Die London Dungeons?“ Eine Gänsehaut rann über ihren Körper, gleich einem Trupp Ameisen mit Eisfüßen. Die Dungeons waren der grauenvollste Ort, den sie jemals aufgesucht hatte. Streckbänke, eiserne Jungfrauen, Brenneisen, spanische Stiefel. Nach der Besichtigung hatten sie monatelang Albträume heimgesucht. Wozu Menschen fähig waren, erschütterte sie tief.
„So schlimm ist es nicht, Flùr. Eigentlich ist es ganz gemütlich.“
Vielleicht wenn man auf S/M stand.
Und reizt dich nicht genau das?
Kendrick sah sie fast entsetzt an, als risse sie eine Barriere in ihm nieder, die er mühsam aufrechterhielt.
„Wieso darf die Meduris mich nicht berühren?“
„Sie könnte Einfluss auf deinen Verstand ausüben, deine Gedanken vergiften. Stell sie dir wie eine hochkonzentrierte Droge vor. Bis jetzt verfügst du nicht über die Kraft, ihr etwas entgegenzusetzen.“
Er sagte ihr nicht alles, Kendrick ahnte oder wusste mehr.
Dàn und Lior warteten vor der Tür, lächelten sie ermunternd an. Die Tür knarrte, als Lior sie aufstieß. Bethana lag auf einem Bett mit Schellen und Ketten an den Rahmen fixiert. Ansonsten entsprach der Raum nicht Morvens Vorstellungen. Es war weder kalt, feucht noch lag Stroh auf dem Boden.
Sogar die Blutergüsse verunstalteten das ovale Gesicht nicht. Sie sah aus, als hätten sich die besten Schönheitschirurgen an ihr ausgetobt. Makellosigkeit, wie Morven sie vor Bethana nie gesehen hatte, außer auf retuschierten Magazinfotos. Kein Muttermal unterbrach die cremige Haut. Die Kurve der Taille war vollkommen, ihre Brüste besaßen die perfekte Größe. Im Ganzen betrachtet zu fehlerfrei. Makel machten einen Menschen interessanter. Morven sah sich in einem neuen Licht.
Sie wollte Hass empfinden, aber die Verletzungen verursachten ungewolltes Mitgefühl.
„Komm schon, Morven, zeig Rückgrat.“ Die Stimme war eine raue Versuchung.
Die violetten Augen der Meduris schimmerten voll unterdrückter Tränen. War nicht ein Auge zugeschwollen gewesen? Diese Kreatur hatte ihr Leben zerstört. Nein, dieser Gedanke war nicht richtig. Morven lebte, Brian war tot und Betty eine leere verletzte Hülle. Sie besaß keinen Grund, in Selbstmitleid zu zerfließen. Ihr Mitleid auf sich und die Schlampe verflüchtigte sich. Sie fand es begrüßenswert. Ob sie auch Una getötet hatte?
„Was willst du von mir?“ Die Kälte in ihrem Tonfall erstaunte sie. Wenn sie bedachte, dass sie kurz davorstand, durchzudrehen, hielt sie sich gut.
Kendrick drückte beruhigend ihre Schultern. Seine Wirkung auf sie lag nicht an seinem Aussehen. Lior oder Dàn waren verdammt attraktive Kerle, ihre Berührungen empfand sie zwar tröstlich, aber nicht mehr.
Kann sie meine Gedanken lesen?
Nein
.
Ein kleiner Lichtblick. Dàn und Lior positionierten sich rechts und links neben ihr.
„Was ich von dir will?“ Ein Lachen kam aus Bethanas Kehle, das nichts mit Freude zu tun hatte. Ihre Augen flehten sie an.
Morven hielt den Blickkontakt und versuchte, keine Reaktion zu zeigen. Sie verspürte das starke Bedürfnis, die Schlampe zu würgen und ihr Haarbüschel rauszureißen. Kendrick festigte seinen Griff.
„Wieso hast du dich ausgerechnet in mein Leben geschlichen?“
Bethana blinzelte heftig, als kämpfte sie gegen enorme Schmerzen an.
„Frag Kendrick, was er mit dir vorhat. Und wenn du dabei bist, denkst du,die Lugus haben nur Gutes für dich im Sinn? Du bist viel zu vertrauensselig und armselig in allem, was du tust.“
Erneut blinzelte sie und sah direkt in Liors Augen. Was war los mit der Frau?
„Ich liege nicht nackt, mit Blutergüssen, angekettet in einem Bett.“
Schwärze leuchtete in den violetten Augen, Bethana zuckte zusammen, Schweiß rann ihre Stirn hinunter, die Gesichtszüge waren fratzenhaft verzerrt.
„Glaub mir, Schätzchen, angebunden in einem Bett, wirst du bald liegen.“
Es war, als lägen zwei Personen vor ihr, die miteinander verbunden waren. Ein Schatten, der über Bethanas
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