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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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»Und, wirst du sie mit
deiner Schwester teilen?«
Ryan zögerte einen Lidschlag lang, dann nickte er.
»Gut«, sagte Tony leise. »Sehr gut.«

22. Kapitel
    Da ist nichts passiert, redete Caroline sich ein. Es gibt
bestimmt eine ganz vernünftige Erklärung dafür, warum
Andrea heute nicht zur Arbeit gegangen ist. Sie hatte das
Gefühl, dass es schon viel später als halb sechs sein müsste,
aber nur ein Teil der Erschöpfung, die sie zu überwältigen
drohte, rührte daher, dass heute ihr erster Arbeitstag war. Auf
ihrem Schreibtisch – eigentlich nur ein ganz normaler Tisch,
den man aus dem Laden ins Hinterzimmer gerückt hatte, seit
sie mit Irene Delamonds Wohnungsumgestaltung so
beschäftigt war – stapelte sich all die Arbeit, die sich während
ihrer Abwesenheit angesammelt hatte. Es schien, als habe der
Architekt jede Frage, die seine Handwerker wiederum an ihn
hatten, direkt an sie weitergeleitet, weshalb sie fast den ganzen
Tag am Telefon verbracht hatte. Aber nach dem Anruf aus
Andreas Büro und der Frage, ob sie übers Wochenende etwas
von ihr gehört habe, konnte sie sich kaum mehr auf Tapetenmuster, Farbkarten, Stoffe und Dutzende anderer Details
konzentrieren, die die Neugestaltung nicht nur von Irene
Delamonds Wohnung, sondern auch ihrer eigenen, erforderte.
Ihre Sorge um Andrea wuchs mit jeder Minute, und nachdem
sie ein halbes Dutzend Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, gab sie endlich auf. Sie hatte
versucht sich vorzubeten, dass nichts passiert sei – dass Andrea
aus irgendeinem Grund nach Long Island gefahren war. Sie
hatte sogar versucht, die Telefonnummer von Andreas Eltern
herauszufinden, doch die war nicht registriert, und auch Bev
oder Rochelle hatten keine Nummer von ihnen. Einmal noch
hatte sie Andrea angerufen, ehe sie den Laden verlassen hatte,
aber diesmal hatte das Telefon einfach nur endlos lange
geläutet. War das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes? Kurz
vor dem Rockwell ging sie im Geiste noch einmal alles genau
durch, doch nicht anders als den ganzen Nachmittag über stieß
sie immer wieder auf eine unverrückbare Tatsache: Andrea
Costanza war schlicht und einfach nicht der Typ Mensch, der
sich einen Tag frei nahm, ohne jemanden zu informieren.
    Dazu kam, dass seit Freitag offenbar niemand Andrea gehört
oder gesehen hatte.
Aber das musste immer noch nichts heißen, beschwichtigte
Caroline sich wohl zum hundertsten Mal. Sie war inzwischen
vor dem Rockwell angekommen und wollte schon nach dem
Griff der schweren Eingangstür greifen, da besann sie sich
anders. Sie könnte auch –
Nein, damit war jetzt Schluss. Caroline war alle Eventualitäten durchgegangen und hatte jede Einzelne verworfen. Und
anstatt die Tür zum Rockwell aufzuziehen, wandte sie sich ab
und ging die drei Blocks weiter die Central Park West hinauf
und bog dann links in die 73. Straße ein. Ihr Schritt
beschleunigte sich, als sie die Columbus und die Amsterdam
Avenue überquerte, doch kurz nach dem Broadway blieb sie
abrupt stehen, als sie einen Block weiter die blinkenden Lichter
von Polizei- und Rettungswagen sah.
Sie standen vor Andreas Haus.
Es ist ein großes Gebäude. Es könnte jeder sein.
Doch ihr rasender Herzschlag sagte ihr, dass sie sich etwas
vormachte. Sie rannte auf das gelbe Absperrband und die
beiden Polizisten zu, die den Gehsteig vor Andreas Haus
absperrten. »Was ist passiert?«, fragte sie und hörte die Angst
in ihrer Stimme.
Einer der beiden Polizisten sagte: »Wohnen Sie hier?«
Stumm schüttelte Caroline den Kopf.
»Dann gibt es für Sie hier nichts zu sehen. Gehen Sie bitte
weiter.«
Jetzt sprach eine andere Stimme zu ihr: eine ältere Frau, die
sich an den Revers ihrer Jacke festklammerte, als könnten sie
diese vor den Gefahren der Großstadt bewahren. »Es ist diese
nette junge Frau aus dem fünften Stock«, sagte sie und
schüttelte traurig den Kopf. »Hatte immer ein freundliches
Wort für jedermann. Nicht wie die meisten anderen Bewohner
dieses Hauses. Ich habe immer zu Mr. Balicki gesagt – das ist
unser Hausmeister, müssen Sie wissen – ja, ich habe ihn immer
vor diesen Leuten gewarnt. Feiern nächtelang Partys und
spielen laute Musik bis in die Morgenstunden. Teufelsmusik
spielen die. Ja, und ich hab immer zu Mr. Balicki gesagt, dass
irgendwas Schlimmes passieren wird. Aber er hat mir ja nicht
geglaubt. Niemand glaubt mir. Aber jetzt ist das Unglück
passiert. Durchs Fenster ist er

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