Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
sagte sie. »Jemand zielt mit einer Armbrust ...« Ein höllischer Schmerz durchzuckte sie, als würde ihre Haut reißen, sich abschälen, um darunter jene Bluma freizulegen, die sie war. Bunte Fäden zischten und verknoteten sich, winzige Explosionen stoben aus den sich schlängelnden Kindern der Magie , und ihr Blick trübte sich.
»Nein ... das ... ist ... vorbei«, stöhnte sie. »Keine Gefahr von diesem Mann mit den weißen Haaren. Keine Gefahr von Haker Flack. Dem Kopfjäger. Es hat sich ... verändert. Ist ganz ... anders ...« Sie brach in die Knie , und das weiche weiße Kleid wickelte sich um ihre Beine. Sie glaubte, zu implodieren, so sehr schmerzte es. Tränen rannen über ihr Gesicht , und die Fäden wickelten sich um ihren Hals, drückten , zogen und drangen in sie ein wie Parasiten.
Dann war es vorüber!
So schnell, wie der Schmerz gekommen war, war er gegangen. Ihr Blick klärte sich , und sie war nicht mehr in dem Gewölbe unter dem Haus, nicht mehr beim Kristallteich. Bei den Göttern, hatte die kleine Symbylle auch solche Schmerzen empfunden, wenn sie den Ort wechselte? Falls ja, wie hatte sie das ertragen?
Sie sah mit den Augen von Symbylle - und damit kamen die Erinnerungen.
Darius!
Er stand in seiner dämonischen Gestalt, schwarz, hoch wie ein Haus, dampfend , mit rot blitzenden Augen auf einer Anhöhe , und sie war das kleine Mädchen, das im Gras saß und Sonnenblumenblüten sortierte. Sie wechselte die Form, sortierte die Blüten wie man Karten legt und wusste, dass jede dieser Bewegungen eine weitere Bewegung hervorrief und eine weitere Bewegung, die letztendlich ganz Mittland erfasste. Der Manndämon sagte etwas, doch sie verstand ihn nicht, dann drehte er sich weg und stapfte davon.
Darius hatte ihr nie erzählt, dass er Symbylle begegnet war – oder wusste er es selbst nicht mehr?
Sie erblickte einen Riesen, der sie freundlich anlächelte und sie lernte König Rondrick kennen, der später zum Riesen Ronius werden würde. Sie legte die Blüten und war konzentriert. Eine Unzahl weiterer Bilder stürzten auf Bluma ein, so viele, dass sie diese bald nicht mehr auseinanderhalten konnte.
Wo war sie?
Wohin hatte die Magie sie geführt?
Dort war die Anhöhe, auf der Darius gestanden hatte, doch jetzt war es keine Erinnerung oder ein Traum. Der Himmel war grau , und das Gras wurde braun. Es war kühl, denn der Winter stand vor der Tür. Es hatte geregnet. Es roch nach Grün und Frische. Schwache Nebel trieben vom Meer nach Dandoria. Weiter entfernt ragte die Burg in die Höhe, ein weißer Willkommensgruß für jeden Besucher der Stadt. Unter ihr erstreckte sich eine Ebene mit wenigen Katen und Häusern, die dort vereinzelt gebaut worden waren und wirkten, als habe ein Kind wahllos Bauklötze in die Natur geworfen. Aus einigen Schornsteinen quoll Rauch.
Ein kleines , hübsches Haus erregte ihre Aufmerksamkeit. Warum, konnte sie nicht sagen, doch sie ahnte es. Das musste es sein. Dort war das Haus, in dem Darius Darken mit seiner Frau Elvira gelebt hatte.
Langsam schritt sie die Anhöhe hin ab . Ihre schmalen Fesseln streiften die Grashalme , und ihr gelenkiger Körper hatte keine Mühe mit dem Abstieg. Bluma fühlte sich in dieser Gestalt wohl. Sie freute sich auf den ersten Blick in einen Spiegel. Alles war ... leicht! Wie schwerelos. Es war ein Unterschied, ob man auf stämmigen Beinen ein Gewicht mit sich herumtrug, welches die Gesamtstatur beeinträchtigte, oder wie eine geschmeidige Gerte im Wind war.
Sie schüttelte die langen Haare aus dem Gesicht und tastete über ihren Kopf. Wie angenehm sich diese Haare anfühlten. Wie Seide. Sie spürte jeden Windhauch und erlebte, wie es war, wenn die Kopfhaut nicht juckte. Ganz schnell, bevor ein heimlicher Beobachter davon Notiz nehmen konnte, strich sie sich über die festen Brüste und über die schmalen Hüften. Das weiße Kleid umspielte sie wie Feengespinst. Es war reizvoll, eine junge Menschenfrau zu sein. Sogar der Geschmack in ihrem Mund war anders, und als ihre Zungenspitze über die ebenmäßigen Zähne fuhr, hatte sie den Eindruck, diese wären poliert. Sie nahm ihren eigenen Geruch wahr. Oder genauer – sie nahm fast keinen Geruch wahr. Barbs neigten zum Schwitzen und dünsteten süßlich, wohingegen Symbylle, die sie nun war, den Eindruck machte, als sei sie frisch aus einem Ei geschlüpft.
Sie kam zu dem Haus, das friedlich zu schlummern schien.
Sie klopfte an die Tür. Ihr Atem ging schnell. Sie lauschte. Nichts. Es
Weitere Kostenlose Bücher