Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
den Augen dunkle Schatten, doch dies konnte den ansonsten guten Eindruck nicht trüben.
Er leerte einen Topf mit Quellwasser und fühlte sich einigermaßen gut. Seine Kehle bedankte sich und sein Magen jubelte.
Die schöne Frau! Wer war sie? Wie konnte er sie wiedersehen? Liebe Güte, hatte er sich tatsächlich verliebt? Für Markosa war der Begriff Liebe bisher stets indifferent gewesen. Sein verstorbener Vater hatte gesagt, es gäbe drei selige Tugenden, welche die wahre Liebe ausmachen: Geduld, Stärke, Beharrlichkeit! Dabei hatte er seinen Sohn angeschaut, direkt bis in die Seele hinein. Vielleicht hatte er in jenem kurzen Augenblick begriffen, dass sein Sohn diese drei Tugenden nicht besaß. Geduld? Stärke? Beharrlichkeit? Hatte sein Vater ihn für einen Versager gehalten und gewusst, dass Markosa niemals in seine Fußstapfen treten würde? Oder war er mit einer falschen Hoffnung gestorben?
Markosa hatte seinen Vater nie geliebt.
Ebenso wenig wie seine Mutter.
War er überhaupt zur Liebe fähig?
Für gewöhnlich lag es Markosa nicht, über diese Dinge nachzudenken. Viel lieber verdrängte er, feierte, ging auf die Jagd oder würfelte. Sein ganzes Leben war eine einzige große Ablenkung, wie ihm durchaus bewusst war. Er strich sich eine blonde Strähne ins Gesicht – was ihm ein verwegenes Aussehen verlieh - und wandte sich abrupt von seinem Spiegelbild weg. Einen Moment lang hatte er in seinen Augen etwas gelesen, das ihm nicht gefiel. Trauer? Zorn? Oder Abscheu vor sich selbst?
Unsinn!
Ein bodenloser Unsinn!
Das hatte man davon, wenn man zu viel dachte.
Bernardo Lightgarden, der große Reeder und Adelige. Vater eines verkommenen Sprösslings. Pah! Wenn die Leute wüssten, wer dieser Mann tatsächlich gewesen war. Ein Tyrann! Ein stahlharter Kerl, für den es nichts anderes gab, als die Strategie des Goldes. Dafür hatte der Mann sein Weib und um Haaresbreite auch seinen Sohn geopfert.
Indem er ihn d er Strafe unterzog.
Markosa erinnerte sich jener kurzen Zeit, in der er bereut hatte. Das war geschehen, als der schwarze Vogel Kredits Halsschlagader geöffnet hatte. Blitzartige Hirngespinste! Zerrissene Gedanken! Ein Gewissen, welches ihn auslachte, als verkörpere er den jugendlichen Hitzkopf in einem Schauspiel des großen Schüttelspeers, der so etwas über einen Königssohn geschrieben hatte. Markosa hatte dieses Bühnenstück gesehen und viel Verständnis für den jugendlichen Helden gehabt, der sich an seinem Onkel rächen wollte und letztendlich dafür sorgte, dass alle tot waren, er selbst eingeschlossen. Das Verhalten und der Zorn des Helden hatten Markosa aus der Seele gesprochen. Am liebsten wäre er – angetrunken, wie er war – auf die Bühne gestürmt und hätte dem jungen Mann sein Lob ausgesprochen. Doch am Ende war alles Schweigen , und das Publikum verließ geknickt und gleichermaßen erleichtert das Theater.
Markosa rieb sich die Augen und hielt sich an einer Stuhllehne fest, denn ihm wurde schwindelig. Das kannte er. So waren sie stets, die Nachwirkungen langer Nächte. Er verließ den Palast und war sich der scheuen Blicke seiner Sklaven gewiss. Man brachte ihm sein Pferd, doch Markosa winkte ab. Er wollte zu Fuß hinunter nach Dandoria gehen, zum Hafen, wo seine Schiffe lagen und dort die würzige Meeresluft atmen. Das tat seinem geschundenen Körper gut.
Er wusste nicht wirklich, was er wollte. Also tat er, was ihm gerade einfiel.
Langeweile!
Das alte Problem.
Dandoria bebte und vibrierte. Hier wurden Geschäfte getätigt, Händler gestikulierten , und Halblinge, Trolle, Menschen und Elfen kauften, verkauften , und alle fühlten sich gut und wohl, denn die Angst, die Störmer geschürt hatte, ein Halbling, der die Macht an sich gerissen hatte und elendig hatte sterben müssen, war verflogen. Die Bürger von Dandoria hatten in der letzten Zeit viel mitgemacht. Den Angriff eines Riesen, eine aufkeimende Diktatur und den Horror, den ein Golem verbreitet hatte, sowie Gerüchte, die von Dämonenüberfällen handelten. Nun herrschte wieder Frieden in Dandoria und das alltägliche Leben war wie ein wohltuender Trank. Alles war im Lot. Man lachte, schimpfte, und war sich seiner Bestimmung als Bürger Dandorias bewusst.
Bei Tage war Dandoria eine weiße Stadt, die blühte wie ein Magnolienbaum. Hübsch anzuschauen im kühlen Sonnenlicht des nahenden Winters, vor den Toren das blaue , weite Mittmeer. Hier lebte es sich unbesorgt! Hier war man am Nabel der Geschehnisse, denn
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