Mittsommersehnsucht
den Freund nachdenklich an. »Wenn ihr Vater uns wirklich die Geldmittel kürzt, steht es schlecht um die Zukunft des Labors.«
»Ich könnte ja ein eigenes haben, wenn ich mich kaufen ließe«, sagte Magnus bitter.
»Ich kann dich verstehen.« James sah hinaus, wo Lilian an der Reling stand und auf die Wellen starrte. »Sie wird sich doch nichts antun?«
»Ach was, das ist nur Theater.«
»Hoffentlich irrst du dich nicht.«
Magnus schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, ihr passiert mit Sicherheit nichts.«
»Hoffen wir also, dass sie rasch wieder zur Vernunft kommt – und ihr Vater seine Drohung nicht wahr macht.«
Magnus sah den Freund eindringlich an. »Du verlangst doch wohl nicht im Ernst von mir, dass ich Lilian heirate, nur damit wir das Labor weiter subventioniert kriegen von dem alten Blomquist.«
James wehrte ab. »Um Himmels willen, das wäre das Letzte!«
»Dann lass uns weiterarbeiten. Ich zumindest werde mich von Lilian weder erpressen noch in meiner Arbeit hier an Bord stören lassen.«
»Und – was machen wir mit ihr?«
»Gib ihr einen Kaffee, wenn sie sich wieder eingekriegt hat und zurückkommt. Ewig kann sie ja nicht an der Reling stehen und ins Wasser starren.«
James grinste. »Mit einem großen Schuss Rum?«
»Vielleicht schläft sie dann ein, und wir haben bis Hammerfest unsere Ruhe.« Er durfte sich nicht ausmalen, was Lilian noch alles anstellen würde, wenn sie länger an Bord blieb.
Und erst recht war die Vorstellung, Andrea könnte hiervon erfahren, der reinste Horror.
45
S o, das wäre geschafft. Die Wunde ist gut verheilt.« Andrea legte die kleine Schere und die Pinzette auf den alten Holztisch, der in der Mitte der großen Bauernküche stand. Eine wunderschön gewebte rote Tischdecke lag in der Mitte, darauf stand eine hellblaue Tonschale, in der Moltebeeren lagen, die in kräftigem Orangerot leuchteten. »Soll ich dir sicherheitshalber noch einen Verband anlegen?«
Haakon schüttelte den Kopf. »Der ist nur hinderlich.«
»Pass aber auf, dass du dir bei der Arbeit nicht an die Wunde stößt.«
»Mach ich. Ich hab mir schon zwei dünne Pullover rausgesucht, die ich anziehen werde. Das schützt vor den herumfliegenden Spänen oder dem Staub, wenn ich an der großen Skulptur dort hinten weiterarbeite.« Er wies hinüber in sein Atelier.
Vor einer halben Stunde war Andrea zu ihm gekommen, um ihn zu versorgen. Haakon Upholm hatte um den Hausbesuch gebeten, denn Kirstin, seine kleine Tochter, war erkältet und hatte leichtes Fieber. Er wollte sie nicht allein lassen und hoffte, dass Dr. Sandberg auch nach Kirstin sehen würde.
Andrea hatte dem kleinen Mädchen Saft und ein paar leichte Fieberzäpfchen mitgebracht. Zusätzlich ein Stoff-Rentier, das sie in einem Laden in Stamsund gekauft hatte, dazu ein paar Hörbücher mit Geschichten von Astrid Lindgren.
Kirstin freute sich unbändig über die Geschenke, sie lag jetzt still in ihrem Bett und hörte das erste Abenteuer von Pipi Langstrumpf.
»Das war sehr nett von dir. Johan wäre nie auf die Idee gekommen, einem seiner kleinen Patienten was mitzubringen.« Er stützte den Kopf in die Hände. »Wie geht’s ihm überhaupt?«
»Er ist seit drei Tagen aus der Klinik zurück, muss sich aber noch schonen.«
»Und … kommt ihr gut miteinander aus?«
Andrea verzog leicht den Mund. »Noch ruht er sich aus. Wie es sein wird, wenn er wieder in der Praxis mitarbeiten will, weiß ich noch nicht.«
»Hmm … Ich denke, er wird klug genug sein, dir die meiste Arbeit zu überlassen. Ich für meinen Teil wäre froh, wenn du die Praxis ganz übernehmen und hier bei uns bleiben würdest.« Er schob ihr die Schale mit den Moltebeeren zu. »Nimm ein paar, sie sind sehr vitaminreich. Fremde dürfen sie nicht pflücken, ich hab aber ein Stück Land hinter dem Haus, wo sie in Mengen wachsen.«
»Danke.« Andrea schob sich ein paar der Früchte in den Mund. Sie hatte auch schon gehört, dass die seltenen Beeren nur von den Besitzern des Landstreifens geerntet werden durften, auf denen sie wuchsen. Birgit kaufte hin und wieder ein Glas Moltebeeren-Gelee, da Johan Ecklund den Aufstrich besonders gern mochte. Es war aber eine Delikatesse, die recht teuer war. Und so war die Haushälterin froh, wenn ein dankbarer Patient ihrem Doktor hin und wieder ein paar Gläser schenkte.
Andrea nahm noch drei der Früchte, dann sah sie auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich muss weiter. Zwei Hausbesuche stehen noch aus.« Sie stand auf und schloss die
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