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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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neuen Bildes bedeckte zum Teil Evelyns Beine.
    Die Malerin lag mit seltsam verrenkten Gliedern auf der Erde. Sie hatte Schusswunden in der Brust und im Bauch, es war deutlich zu sehen, da sie noch den hellen Kittel trug, den sie sich oft bei der Arbeit überstreifte. Eine Blutlache hatte sich unter ihrem Körper gebildet. Haakon konnte den Blick kaum von dem roten kleinen See wenden.
    Zwei Polizisten kamen herein und untersuchten kurz den Tatort. »Sperr alles ab!«, befahl der Ältere. »Das ist ein Fall für die Mordkommission.«

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    D u musst den Verstand verloren haben.« Nik Yitterdal presste das Telefon so fest an sein Ohr, dass es schmerzte. Er war gerade auf seiner kleinen Insel angekommen, als Toms Anruf ihn erreichte. »Wieso bist du überhaupt schon wieder da?«
    »Warum wohl«, fauchte Tom. »Ich wollte Nachschub holen.«
    Nik schüttelte den Kopf. »Idiot! Auffälliger ging es ja gar nicht. Diese Malerin musste doch misstrauisch werden, wenn du alle naselang dort erscheinst. So was ist doch nicht normal!«
    »Hör auf mit den Vorhaltungen, die bringen mich auch nicht weiter. Ich muss von den Lofoten verschwinden. So schnell wie möglich. Diese Ärztin hat mich erkannt.«
    »Aber du hast sie doch auch …« Nik brach ab.
    »Ich weiß nicht, ob ich sie richtig getroffen habe. Vielleicht … vielleicht lebt sie noch.«
    »Dann sieh zu, dass du dir ein Boot organisierst. Oder eine Fähre erreichst, die dich innerhalb der nächsten Stunden von hier wegbringt. Auch wenn wir im hohen Norden leben, die Polizei ist schnell vor Ort. Und wenn dich jemand erkannt hat, ist dein Wagen bald gefunden.«
    »Kannst du mich nicht fahren? Soll dein Schaden nicht sein.« Toms Stimme klang ungewöhnlich kleinlaut. »Mit deinem Boot sind wir schnell von hier fort. Ich will nicht warten, bis morgen früh die erste Fähre losgeht. Mein Wagen ist vielleicht schon in der Fahndung.«
    Aber Nik dachte nicht daran. Er grinste und tippte sich an die Stirn, obwohl der Galerist das nicht sehen konnte. »Keine Chance.« Damit unterbrach er das Gespräch.
    Tom Rheenhus rief ihn noch mehrfach an in den folgenden zwanzig Minuten, aber Nik meldete sich nicht mehr. Er packte in aller Eile die notwendigsten Dinge zusammen, füllte den Vorrat an Kokain in zwei größere Plastiktüten. Die synthetischen Pillen, die er in grellfarbenen Plastikboxen aufbewahrte, warf er in einen Seesack, den er sich lässig über die Schulter warf. Der Tank seines Bootes war gut gefüllt, dafür sorgte er immer.
    Als die ersten Sterne am Himmel aufleuchteten und die letzten Fischkutter in ihre Heimathäfen eingelaufen waren, machte sich der Chemiestudent auf in Richtung Norden. Wenn man sich auskannte, gab es in der Weite der Finnmark unzählige Möglichkeiten, unterzutauchen.

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    D as Erste, was sie wahrnahm, war der vertraute Geruch nach Medikamenten, Desinfektionsmitteln und antiseptischen Lösungen. Sie blinzelte, die Helligkeit, die durch die leicht geöffneten Lider drang, tat den Augen weh. In ihrem Kopf war ein ziehender Schmerz, der sich allerdings nicht genau lokalisieren ließ. Auf der Brust lastete ein dumpfer Druck, so, als läge ein zentnerschweres Gewicht darauf.
    »Andrea!«
    Wer rief sie? Irgendwie kam ihr die Stimme bekannt vor, doch sie wusste sie nicht einzuordnen.
    »Andrea, sieh mich an!« Jemand drückte sanft ihre linke Hand.
    »Birgit?« Es war unendlich mühsam, die Augen zu öffnen.
    »Ja. Ich bin’s.« Birgits gutmütiges rundes Gesicht erschien in ihrem Blickfeld. »Bin ich froh, dass du wieder wach bist.«
    »Wie lange hab ich denn geschlafen?« Andrea wollte sich aufrichten, doch Birgit drückte sie sanft zurück.
    »Bleib ganz ruhig liegen! Die Ärzte hier sagen, dass du dich möglichst nicht bewegen sollst.« Sie lächelte Andrea aufmunternd zu. »Aber keine Panik, ich bin sicher, dass du morgen schon wieder fit bist.«
    »Was … was ist denn mit mir?« Langsam realisierte Andrea, dass sie nicht daheim in ihrem Zimmer im Stamsunder Doktorhaus lag, sondern in einer Klinik. Die Wände waren hellgrün gestrichen, neben ihrem Bett standen einige Apparate, die leise, fast unhörbare Geräusche verursachten. Der Lamellenvorhang vor dem breiten Fenster war fast ganz geschlossen, die Dämmerung draußen blieb ausgesperrt. Über ihrem Bett brannten zwei kleine Lampen, was sie allerdings als unangenehm empfand.
    Andreas Blick ging weiter, von dem Fenster zu einem hellgrauen Einbauschrank. Dann erkannte sie das Bettgestell aus glitzerndem

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