Mittsommersehnsucht
Schnell schenkte er ihr ein weiteres Glas Wein ein.
»Du hast recht, private Angelegenheiten können nerven. Da ist eine kollegiale Freundschaft viel angenehmer. James und ich, zum Beispiel, kennen uns seit vier Jahren, er ist nicht nur mein Vorgesetzter, sondern auch mein bester Freund.«
»Er scheint wirklich sehr nett zu sein.«
»Ist er auch. Und ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Meeresbiologie. Wir haben schon vor zwei Jahren auf den Lofoten und auf den Vesterålen geforscht, aber auch im Eismeer. Voriges Jahr war ich für drei Monate mit einem Team auf einer Forschungsstation in der Antarktis.«
Andrea legte den Kopf auf die linke Hand und sah ihn an. »Um diese Erfahrungen und Erlebnisse beneide ich dich. Das muss eine tolle Zeit gewesen sein.«
Er nickte, dann, von einer Sekunde zur anderen, blitzte wieder der Schalk in seinen blauen Augen auf. »Soll ich noch mehr von mir erzählen?«
»Klar.«
»Nun, wir unterhalten ein großes Labor in Trondheim und eins in Tromsø, das der Universität angeschlossen ist. Dann gibt es unser kleines Schiff hier …« Mit zärtlicher Geste schob er ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »Sag mir, wann ich dich zu faszinieren beginne.«
Peng!
Nein, es war kein Barhocker neben ihr umgefallen, doch dieser eine Satz hatte ganz ähnliche Wirkung. Es war Andrea, als sei sie mit einem Schlag von Wolke Sieben auf die Erde zurückkatapultiert worden.
»Du bist … unmöglich!«
»Das denkst du nur.« Er beugte sich vor, und es war klar, was er vorhatte.
»Wag es ja nicht!« Sie wollte vom Barhocker rutschen, aber der letzte Drink war ganz offensichtlich etwas zu stark ausgefallen. Der Fußboden war jedenfalls nicht da, wo er sein sollte – zumindest kam es ihr so vor. Stattdessen waren da zwei Arme, die sie hielten, ein Gesicht, das näher und näher kam …
Ich trinke nie wieder in einer norwegischen Bar, ohne nachzufragen, was im Glas ist, schoss es Andrea durch den Kopf. Man weiß ja nicht mehr, was man tut und … Aber dann dachte sie nichts mehr, denn Magnus wollte gar nicht aufhören, sie zu küssen.
»Die Therapie hättest du ruhig schon vorher anwenden können.« Seine Stimme klang ein wenig heiser vor Erregung.
»Was erlaubst du dir!« Mit einem Ruck riss Andrea sich los. Zum Glück war der Fußboden wieder da, wo er hingehörte. Jedenfalls stand sie kerzengerade vor Magnus und funkelte ihn wütend an.
»Ich konnte einfach nicht widerstehen. Du bist zu süß.«
»Süß! So ein alberner Begriff! Ich bin doch keine siebzehn mehr.«
»Zum Glück nicht!« Er legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie hinaus, nachdem er dem Barkeeper einen Schein auf den Tresen gelegt hatte.
Draußen war Sturm aufgekommen, er fuhr durch Andreas Haare und ließ sie schaudern. Die dünne Bluse und der Blazer, den sie darüber trug, waren eindeutig die falsche Kleidung. Verflixte Eitelkeit!
»Hier, meine Jacke.« Magnus’ gefütterte Lederjacke, abgewetzt, aber herrlich warm, roch nach seinem Rasierwasser, aber auch ein bisschen nach Tang und Meer. Sie hüllte sich darin ein. »An das Wetter hier musst du dich noch gewöhnen. Ohne warme Jacke geht man einfach nicht aus dem Haus.«
»Ich bin vielleicht bald wieder daheim in Deutschland.«
»O nein!« Fest, beinahe schmerzhaft, war der Griff seiner Hände um ihre Schultern. »Das kommt gar nicht in Frage!«
»Bestimmst du das etwa?«
»Ja … zumindest würde ich gerne versuchen, dich umzustimmen. So, zum Beispiel.« Sein Griff wurde noch ein wenig fester, seine Lippen öffneten die ihren fast gewaltsam. Aber dann, von einem Atemzug zum nächsten, begann er mit seiner Zunge höchst behutsam ihren Mund zu erobern. Sein Griff lockerte sich, die Hände glitten über ihren Rücken, streichelten, liebkosten, spielten mit ihrem Haar.
Andrea lehnte sich ans Auto, sie hatte Angst, wieder das Gleichgewicht zu verlieren. Dieser Mann verstand vielleicht zu küssen …
Als er sie losließ, zuckte seine linke Augenbraue leicht nach oben. Amüsierte er sich eventuell über sie? Das wäre eine Frechheit sondergleichen!
»Du … du bist … Lass mich endlich los!« Sie versuchte sich gegen ihn zu stemmen, versuchte an etwas anderes zu denken als an seine Küsse, versuchte ihn nicht anzusehen … Es musste doch gelingen, sich aus diesem Bann zu befreien!
Nein, es war unmöglich!
Wieder küsste er sie. Es war der süßeste, leidenschaftlichste, wildeste und innigste Kuss, den Andrea je bekommen hatte.
Er dauerte vom
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