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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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totes Kind …
    »Nein, das nicht. Das zeige ich nicht.« Evelyn wollte schon das Blatt mit den flüchtig hingeworfenen Kohlestrichen zerreißen, doch es entglitt ihren zitternden Fingern.
    »Wie viele Bilder sind es diesmal?«
    »Leider nur sechs, verdammte Scheiße. Wir müssen es riskieren, alle Rahmen zu füllen.«
    »Kein Problem.« Holger Nerhus grinste und zündete sich lässig eine Zigarette an. Süßlicher Duft erfüllte den Wagen.
    »Sei nur ja vorsichtig, sonst hängst du bald wieder an der Nadel. Dein Eigenbedarf wird stetig größer«, mahnte Tom Rheenhus.
    »Woher willst du das wissen? Lässt du mich etwa bespitzeln? Wenn dieser verdammte Vietnamese es wagt …« Aggressiv sah Holger den dunkelhaarigen Galeristen an, der neben ihm im Wagen saß und hinüber zu dem alten Musikpavillon starrte, der sich direkt am Marktplatz befand und der hier, im hohen Norden, eine Rarität darstellte.
    »Ich warne dich, Holger. Ich hab nicht die geringste Lust, durch deinen Leichtsinn unsere Geschäfte zu riskieren – oder gar aufzufallen.« Tom Rheenhus öffnete die Tür. »Morgen um die gleiche Zeit bei dir zu Hause. Ich werde versuchen, Evelyn so viele Bilder wie möglich abzunehmen.«
    »Wen kümmern die Bilder«, erwiderte Holger geringschätzig lachend und nahm einen letzten Zug.
    »Du bist ein Schwachkopf.« Tom stieg aus. »Sieh zu, dass dein Bruder nicht da ist, wenn ich komme.«
    »Der Streber ist noch an der Uni.« Holger lehnte sich mit geschlossenen Augen in den Polstern zurück.
    »Gut.« Tom warf einen letzten Blick auf den jungen Burschen, dann verschwand er in der Dämmerung, die erst jetzt, kurz vor Mitternacht, einsetzte und die Landschaft in ein unwirkliches Silberlicht tauchte.

18
    Z um ersten Mal seit Wochen bedauerte Andrea, dass sie keine große Auswahl an Garderobe besaß. Drei Wochen lebte sie jetzt schon im Doktorhaus, und außer Jeans, Blusen und Pullovern brauchte sie nur wetterfeste Kleidung und Gummistiefel. Im Grunde war sie nicht eitel, doch in den Tagen, in denen Magnus Hallström ihr Patient gewesen war, hatte sie immer öfter bedauert, so wenig zum Anziehen zu haben.
    Noch eine Woche, dachte sie, als sie ihre drei Blusen, Shirts und Hosen nacheinander aus dem Schrank nahm und einer kritischen Begutachtung unterzog, dann bin ich wieder fort von hier. Dr. Ecklund wird aller Voraussicht nach dann entlassen und kann seine Praxis wieder selbst führen.
    Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Sie hatte sich schon viel zu sehr an das Leben hier gewöhnt. An die liebenswerte Birgit, an die Patienten … sogar das Wetter, das hier so häufig Kapriolen schlug wie kaum irgendwo auf der Welt, gefiel ihr. Norwegen war ein faszinierendes Land, und die Lofoten, diese Inseln des Lichts, wie sie auch genannt wurden, besaßen eine außergewöhnliche Faszination.
    Dennoch … sie konnte nicht mehr bleiben. Dr. Ecklund drängte darauf, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er war ein ungeduldiger Patient, der die Toleranz der Kollegen in der Zentralklinik sehr strapazierte. Zwei Bypässe hatte man ihm gelegt, und nun war er der Ansicht, mit dem Elan eines Dreißigjährigen arbeiten zu können. Gegenargumente oder gar Ermahnungen, sich zu schonen, wurden ignoriert.
    Andrea mischte sich nicht ein, sie hatte inzwischen Kontakt mit zwei Kliniken in Deutschland und der Universitätsklinik in Oslo aufgenommen, und schon in zwei Wochen war ein Vorstellungsgespräch in Oslo anberaumt. Die norwegische Hauptstadt besaß Großstadtflair, es war nicht allzu weit bis nach Hause. Alles Argumente, die für eine Anstellung dort sprachen, zumal ihr das Leben in Norwegen immer besser gefiel.
    Die rote Bluse, die sie in Tromsø gekauft hatte, erschien ihr für das Date mit Magnus am geeignetsten zu sein. Dazu eine helle Leinenhose – das reichte allemal aus.
    »Er ist ein Patient, also stell dich nicht so an«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, als sie sich die Haare hochsteckte und sich mit lange nicht mehr praktizierter Sorgfalt schminkte.
    Nur ein Patient? Nein, das war Magnus wahrhaftig nicht! Andrea mochte es sich nicht eingestehen, aber der Gedanke, ihn morgen nicht mehr sehen zu können, verursachte ihr einen dumpfen Schmerz.
    Schon am Tag zuvor hatte er seine wenigen Habseligkeiten gepackt. Morgen wollte er die Lofoten verlassen und seine Arbeit wieder aufnehmen.
    Zehn Minuten, bevor sie losfahren wollten, klingelte ein Blumenbote. Er hatte einen bunten Strauß aus Gerbera und Astern für Birgit in der Hand und ein

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