Mittsommersehnsucht
Parkplatz bis zum Hotelzimmer …
Ein fremdes Bett. Ein fremder Raum. Und neben ihr – Magnus!
»O nein!« Mit einem Ruck setzte Andrea sich auf. Im nächsten Moment zerplatzten tausend kleine Sterne in ihrem Hinterkopf. Leise stöhnend sank sie auf das Kissen zurück.
»Guten Morgen, Schönheit.«
Keine fremde Stimme. Kein fremder Mund, der ihren Nacken küsste. Keine fremden Hände, die sie sanft zu streicheln begannen. Er war ihr so vertraut … es war kaum zu glauben!
Sie wollte aufstehen, ins Bad laufen und sich dann anziehen. Was war nur in sie gefahren? Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Sie war nun wahrhaftig nicht der Typ, der auf One-Night-Stands stand. Sie hob die Hand, um die Decke zurückzuschlagen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Zu begehrenswert war Magnus’ Nähe. Zu erotisch seine Ausstrahlung. Zu wissend seine Finger, die jetzt frech unter die Bettdecke glitten.
Ich muss verrückt geworden sein, dachte Andrea und drehte sich um, damit sie nicht mehr in diese blauen Augen sehen musste, die so unergründlich tief waren wie der Raftsund. Was tue ich hier? Was ist passiert in der letzten Nacht?
Blöde Frage, beantwortete sie diese im nächsten Atemzug selbst. Das liegt ja wohl auf der Hand. Beziehungsweise … er, dieser unverschämte, verrückte, herrliche Mann nahm die Sache wieder in die Hand. Nämlich ihren kleinen Po, dann glitt seine Hand langsam ihren Rücken hinauf … und drehte sie sanft zu sich um, damit er sie wieder ausgiebig küssen konnte.
Jetzt müsste die Welt aufhören sich zu drehen, schoss es ihr durch den Kopf.
»Hast du auch so großen Hunger?« Ein unüberhörbares Magenknurren begleitete seine Frage.
Wie prosaisch!
Ernüchtert richtete sich Andrea auf. »Ich muss nach Hause.« Sie schwang die Beine aus dem Bett, raffte das dünne Laken und wickelte sich darin ein, während sie im Bruchteil einer Sekunde abschätzte, dass die schmale Tür neben dem hellen Schrank nur ins Bad führen konnte.
»Es ist noch früh. Wir können in Ruhe Kaffee trinken.« Magnus setzte sich im Bett auf und sah ihr nach, ein Lächeln in den Mundwinkeln.
Andrea gab keine Antwort. Sie duschte ausgiebig, wobei sie sich immer wieder fragte, wie ihr so etwas hatte passieren können. Da ging sie mit einem Mann, den sie kaum kannte, ins Bett und …
Ja – und? Was war dabei? Sie war erwachsen, und es hatte Spaß gemacht. Zu bereuen gab es gar nichts.
Als sie aus dem Bad kam, das Haar noch ein bisschen feucht, lag Magnus immer noch im Bett.
Und er schlief!
Im ersten Impuls wollte sie ihm die Decke fortreißen und ihn auffordern, sie allein zu lassen, doch dann blieb sie am Fußende des alten Holzbettes stehen und sah auf Magnus hinab. Seine Lippen waren leicht geöffnet, das dunkle Haar verstrubbelt, eine Strähne fiel ihm in die Stirn. Die linke Hand lag hinter dem Kopf.
Langsam, zögernd, einen Fuß vor den anderen setzend, ging sie um das Bett herum, beugte sich vor …
»Endlich! Ich hab schon gedacht, du tust es nie!« Seine Rechte kam unter der Decke hervor und zog sie aufs Bett. »Jetzt küss mich schon!«
»Das glaubst auch nur du.« Sie versuchte sich aus seinem Griff zu lösen, doch es klappte nicht. Im Gegenteil, er zog sie jetzt mit beiden Händen auf sich, hob den Kopf … dicht war sein Mund vor ihren Lippen.
Andrea schloss die Augen und vergaß, dass sie vor einer Viertelstunde noch wild entschlossen gewesen war, unverzüglich nach Stamsund zurückzufahren und die letzten Stunden aus ihrem Gedächtnis zu streichen.
19
U nmerklich, fast übergangslos war der helle Silberschein der Nacht in die Morgendämmerung mit ihren blaugrauen Schatten übergegangen. Ein nur zaghaftes Morgenrot, das Andrea beim ersten Blick aus dem Hotelzimmer noch gesehen hatte, war verschwunden. Dieser Sommermorgen am Polarkreis zeigte sich unwirtlich, zumal sich immer mehr bedrohlich schwarze Wolken vom Meer heraufschoben und schon bald in wilder Jagd über den Himmel zogen. Eisiger Wind strich um die Gebäude am Hafen, als Andrea und Magnus das Hotel verließen, um den Heimweg anzutreten.
Und dann setzte der Regen ein! In wahren Sturzbächen kam er aus den tief hängenden Wolken und erschwerte Magnus am Steuer des alten Volvos die Sicht. In höchster Geschwindigkeit versuchten die Scheibenwischer den Wassermassen Herr zu werden. Schemenhaft glitten ein paar entgegenkommende Fahrzeuge an ihnen vorbei.
In Henningsvær hielt Magnus auf einem Parkplatz am Hafen an. »Wir
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