Mittsommersehnsucht
Äderchen, die unter der dünnen Haut pochten.
Unter seinem intensiven Blick richteten sich die Warzen gleich wieder auf. Er sah hoch und tauchte ein in Ninas wissenden, selbstzufriedenen Blick.
»Jonas …«
»Andrea!« Er schob Nina von sich, die einen unterdrückten Fluch ausstieß. Darauf reagierte er nicht, sondern konzentrierte sich auf die Anruferin. »Wo bist du?«
»Wieder in Bergen. Ich möchte die Sachen abholen, die noch bei dir sind. Die Containerladung ist doch angekommen, oder?«
»Natürlich.«
»Kann ich sie holen?« Sie klang kühl und knapp.
»Natürlich. Ich … ich freue mich, wenn du kommst.«
»Kein Grund, sich zu freuen. Ich hole nur meine Sachen und bin dann gleich wieder weg. Passt es dir morgen früh?«
»Selbstverständlich. Aber wir müssen reden, Andrea. Ich … ich vermisse dich. Und ich …«
Ich liebe dich, hatte er sagen wollen. Doch er sprach die drei bedeutungsvollen Wörter nicht aus. Erstens, weil Nina wie eine Rachegöttin vor ihm stand, und zweitens hatte Andrea das Gespräch schon beendet, ohne sich zu verabschieden.
Mit einer resignierenden Bewegung legte er das Mobiltelefon zurück und ließ sich auf das graue Seidenlaken zurückfallen.
»Sie kommt also wieder. Schön für dich!« Nina warf das lange blonde Haar mit Schwung in den Nacken.
»Andrea und ich wollten heiraten. Sie … sie ist mit Recht gekränkt. Wer findet es schon prickelnd, den Freund mit einer anderen im Bett vorzufinden.«
»Es hatte aber was …«, Nina kicherte, »… wie in einer Soap – billig, aber wirkungsvoll.«
»Du bist grässlich.«
»Wirklich?« Ihr Gesicht kam näher und näher. »Dann schick mich weg.«
Wie sollte er? Wie konnte er standhaft bleiben, wenn sie dicht vor ihm stand in ihrer aufreizenden Schönheit? Wie hatte er sich nur einreden können, er könnte ohne sie leben? Wie hatte er auf ihre Leidenschaft auch nur acht Tage lang verzichten können, ohne verrückt zu werden? Wie sollte er stillhalten, wenn sie ihm mit ihren Fingernägeln langsam über den Rücken kratzte – sanft nur, doch er bekam sofort Gänsehaut.
»Du schickst mich nicht fort«, flüsterte Nina. Ihr Mund war dicht an seinen Lippen. »Heute nicht – und morgen auch nicht. Und es ist völlig egal, ob sie zurückkommen will zu dir.«
Nina blieb die ganze Nacht. Sie aßen kleine Krabbenhäppchen im Bett, tranken Champagner dazu. Kurz schliefen sie, eng aneinandergeschmiegt, dann liebten sie sich wieder. Heftig und wie besessen voneinander. Danach tranken sie die nächste Flasche.
Als Jonas erwachte, war Nina fort.
Mühsam stand er auf. Sein Kopf dröhnte, es machte Mühe, die im ganzen Raum verstreuten Kleidungsstücke einzusammeln. Das Hemd konnte gleich in den Müll. Ob der teure Anzug noch zu retten war, würde sich in der Reinigung herausstellen.
Jonas duschte lange. Das kühle Nass vertrieb die Taubheit aus seinem Hirn. Erst als er auch die Champagnerflaschen fortgeräumt und das Bett frisch bezogen hatte, rief er Andrea an.
»Hei! Wo steckst du? Soll ich dich irgendwo abholen kommen? Wir müssen doch miteinander reden, Andrea.«
»Ich nehme mir ein Taxi. Ist es dir recht, wenn ich noch am Vormittag komme?« Ihre Stimme klang ruhig und gelassen, als sie hinzufügte: »Zu reden gibt es, meiner Ansicht nach, nichts mehr.«
»Doch. Ich … ich will dir zumindest zu erklären versuchen, was mir geschehen ist. Es … es tut mir so leid, Andrea. Ich bitte dich um Verzeihung.«
»Schon gut. Wir sehen uns dann gleich.«
Jonas war enttäuscht über ihre Reaktion. Aber was hatte er erwartet? Sehnsucht? Angst? Zärtlichkeit? Er wusste es nicht. Von alledem vielleicht etwas. Nur nicht diese kühle Gelassenheit, die seine männliche Eitelkeit verletzte. Und dass Andrea offenkundig gar nicht an einer Versöhnung gelegen war, schmerzte erst recht.
25
D as Radisson-Hotel lag im Zentrum von Bergen. Vor dem Eingang standen große Blumenkübel, in denen Fuchsien, Lavendel und Moosröschen in verschwenderischer Fülle blühten. Vor den unteren Fenstern hingen Blumenkästen, die mit Begonien und Efeu bepflanzt waren, das sich sanft im Wind wiegte. Andrea dachte spontan an die wenigen Blumen im Garten des Doktorhauses, die von Birgit Nerhus mit großer Sorgfalt gepflegt wurden.
Die Erinnerung tat weh. Unsinnig war das. Andrea zwang sich energisch, nicht mehr an die Lofoten und die Zeit dort zu denken.
Sie bekam ein schönes Zimmer mit Blick auf den Hafen und machte sich in Ruhe frisch. Es würde später
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