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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfie Ligensa
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Zeiten – und auf speziellen Routen.«
    Zunächst aber besuchten sie die Festung Bergenhus, Bergens königliches und kirchliches Zentrum des Mittelalters. Sie bewunderten den wuchtigen Rosenkranzturm und die Håkonshalle, die im Mittelalter von den norwegischen Königen als Repräsentationsraum benutzt wurde. Die Deckenkonstruktion aus Holz erinnerte an ein umgekipptes Wikingerschiff.
    »Puh, hier atme ich einfach zu viel Geschichte.« Carina musste grinsen. »Los, raus hier. Oder willst du noch eine Kirche besichtigen?«
    »Lieber nicht. Aber das alte Schiff würde ich mir gerne ansehen.«
    »Dann komm.«
    »Meinst du, wir können an Bord gehen?«
    Carina nickte. »Wenn wir Glück haben, hat Kapitän Jakobsen Dienst. Den kenne ich durch Knut ganz gut.«
    Das alte Postschiff lag, festgetäut und ungewohnt klein und gedrungen wirkend, an seinem Ankerplatz. Vom Glanz, den die modernen Postschiffe ausstrahlten, war nichts zu sehen. Andrea war enttäuscht. Der Rumpf der Lofoten war schwarz gestrichen, ein paar Matrosen pinselten gerade die Aufbauten neu in frischem Weiß.
    Andrea zögerte. »Wollen wir wirklich an Bord gehen?«
    Carina nickte. »Du musst das Schiff von innen sehen.« Und schon betrat sie den leicht schwankenden Steg, der ins Schiffsinnere führte. Mit einem Offizier, der sofort auf sie zukam, sprach sie rasch und in einem Dialekt, dass Andrea fast nichts verstand.
    »Das ist Knuts Freund Erik. Er ist hier der Zahlmeister – und Mädchen für alles. Er lässt uns an Bord und sagt auch dem Käpt’n Bescheid.« Sie winkte Andrea, ihr zu folgen. »Nun komm schon!«
    Andrea zögerte, dann betrat sie die Holzplanken. Einer der Matrosen, schmal und mit auffallend hellem Haar, hörte mit der Arbeit auf und pfiff anerkennend hinter ihr her. Ein zweiter rief etwas, das sie nicht verstand.
    Sie ignorierte die Männer und beeilte sich, die schwankende Gangway hinter sich zu bringen. So ein altes Schiff zu besichtigen war nicht gerade aufregend. Was hatte sich Carina nur dabei gedacht? Doch dann trat sie durch eine schwere, mit Messingbeschlägen verzierte Holztür – und befand sich in einer anderen, längst vergessenen Welt. Goldenes Licht schimmerte auf dicken, sorgfältig polierten Messinggeländern. Alte Dielen knarrten gemütlich. Eine große Schiffsglocke, ebenfalls aus Messing, hing an der linken Seite, daneben vier leicht vergilbte Bilder, die norwegische Landschaften zeigten.
    Andrea zuckte zusammen, als sie Erik und Carina folgte und eine Halle betrat, an deren Längsseite sich die Rezeption befand. Rechts von der Treppe, hoch aufgerichtet und die Pfoten bedrohlich nach den Eindringlingen ausgestreckt, stand ein ausgestopfter Eisbär.
    »Unser beliebtester Staubfänger«, erklärte Erik und grinste. »Ich wollte ihn schon ein paar Mal entfernen, aber die Leute mögen ihn. Vor allem die Kinder.«
    »Das kann ich verstehen.« Andrea bewunderte das Tier, dessen Fell schon ziemlich vergilbt war. Auf der anderen Seite der Treppe stand ein Ledersofa. Daneben ein Nierentisch, ein Sessel, mit Rentierfell bezogen.
    »Das ist urgemütlich, stimmt’s?« Carina sah sich nach Andrea um.
    »Ja, das schon. Aber ist das Schiff denn noch seetauglich?«
    »Beleidigen Sie meine alte Dame nicht.« Erik strich mit einer fast liebevollen Geste über das Mahagoniholz des Rezeptionstresens. »Es hat noch nie einen ernsthaften Zwischenfall gegeben, seit die Lofoten 1964 ihren Dienst aufgenommen hat.«
    Er zeigte den beiden Besucherinnen noch eine Kabine mit altmodischem Bullauge, den geräumigen Essraum und ging dann mit ihnen hoch auf die Brücke, wo der Kapitän die beiden Besucherinnen kurz begrüßte.
    »Leider hab ich gar keine Zeit für euch«, sagte er bedauernd. »Gleich kommen gut siebzig Dänen an Bord, die das Schiff für einen Törn nach Kristiansund gechartert haben.«
    »Das geht?«
    »Ja. Es ist zwar die Ausnahme, doch wenn es sich einrichten lässt, fahren wir auch solche Routen. Ansonsten verkehrt die alte Lady auf nostalgischen Sonderfahrten.«
    »Dann verziehen wir uns mal wieder. Danke, dass wir uns umsehen durften.« Carina umarmte Erik, dann verließen sie das Schiff, das sicher schon viele Abenteuer auf dem Meer erlebt hatte.
    Andreas Hand glitt über das dicke Tau, das als Handlauf die Gangway hinab diente. Wie viele Menschen hatten sich an dem Hanfstrang wohl schon festgehalten?
    Der leise Klingelton ihres Handys ließ sie zusammenzucken. Sie nestelte es aus ihrer Umhängetasche und meldete sich,

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