Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Gesundheit und ihr Selbstbewusstsein und – vermute ich mal – für Modelkarrieren. »Das kann man doch mit Make-up zudecken, oder?«, frage ich nervös.
    Â»Honignäschen, Make-up aufzulegen wird sein, wie Zucker auf die Spitze des Fuji rieseln zu lassen. Dem Himmel sei Dank für Computer, mehr sage ich dazu nicht.« Dann tritt Wilbur einen Schritt zurück und betrachtet mein Outfit. »Zum Glück«, ruft er aus, »ist der Tag gerettet durch einen weiteren Augenblick vollkommener modischer Brillanz. Dreh dich um, mein kleines Nashorn.«
    Ich sehe ihn ein paar Sekunden mit zusammengekniffenen Augen an und senke dann den Blick. Hä? »Mein Pu-der-Bär-Pullover?«, sage ich ungläubig. »Und der Rock von meiner Schuluniform?«
    Dazu kann ich nur sagen: Es waren die einzigen Klamotten, die noch gepasst haben und die a) nicht in der Wäsche waren (weil mit Kotze bekleckert),b) kein Fußballtrikot und c) kein Kostüm, und d) deren Schnittmuster kein Insekt zugrunde lag.
    Â»Pu-der-Bär-Pullover und Rock von der Schuluniform«, sagt Wilbur, blickt voller Staunen gen Himmel und schlägt sich die Hand vor die Stirn. »Erstaunlich. Du bist ein echtes Original, meine kleine Qualle. Egal, wir können nicht den ganzen Tag hier stehen und über dermatologische Katastrophen und dein Stilgefühl reden – also, ich könnte das schon, aber leider werde ich dafür bezahlt, es nicht zu tun.«
    Und er wackelt mit seinem Koffer in der einen Hand und die andere unerklärlicherweise hoch in die Luft gereckt durch den Flughafen.
    Â»Wohin fahren wir denn zuerst?«, frage ich, während mein Vater und ich hinter ihm hertrotten. Ich bin so aufgeregt, dass es sich anfühlt, als würden kleine Insekten in meinem Bauch hin und her schießen, wie in der Marmeladenglasfalle, die wir in der Grundschule basteln mussten, um Fliegen zu fangen. »Ins Gulag-Museum? In die Tretjakow-Galerie? Ins Nowodewitschi-Kloster? Die Arbeiter-und-Kolchosbäuerin-Plastik ist in Moskau, wisst ihr. Sie ist von Paris hierher umgezogen.«
    Weil ich nämlich während des ganzen Fluges einen Reiseführer über Moskau und so gelesen habe.
    Also, genauer gesagt, drei. Und einen Stadtplan studiert.
    Â»Oh, fantastisch. Hier gibt’s an jeder Ecke Wodka, richtig?«, fragt mein Vater. »Hab das Gefühl, ich könnte einen vertragen.«
    Â»Meine Butterkekschen«, sagt Wilbur und wendet sich um, stemmt die Hände in die Hüfte und sieht uns an. »Wir sind weder hier, um Sightseeing zu machen, noch, um Wodka zu trinken. Dies ist kein romantisches Wochenende zu dritt, obwohl«, er sieht meinen Vater an, »Mr Panda senior hier eindeutig ein ganz Süßer ist.«
    Mein Vater ist kurzzeitig fassungslos, und dann grinst er und blinzelt mir zu. »Siehst du? Ich habe Annabel doch gesagt, ich wäre süß, aber sie wollte mir nicht glauben.«
    Â»Und wohin fahren wir dann jetzt?«, wiederhole ich ungeduldig. Ich schwör’s, ich dreh meinem Vater noch den Hals um, bevor die Reise hier zu Ende ist.
    Â»Wir fahren direkt ans Set, Löffelbiskuit«, sagt Wilbur in geschäftigem Tonfall, »und wir sind so knapp mit der Zeit, dass wir nicht mal Zeit haben, euer Gepäck vorher ins Hotel zu bringen. Egal, bevor wir irgendwohin gehen, müssen wir noch das andere Model finden.«
    Schockiert starre ich Wilbur an. Er trippelt auf die Taxischlange zu und winkt, als würden seine Füße brennen. »Juhuuuu?«, ruft er lauthals. »Avez vous ein Taxi für uns? Siehvuplä?«
    Ich schaue ihm hinterher, ein wenig abgelenkt von der Tatsache, dass er zu denken scheint, wir seien in Frankreich. »Das andere Model? Was für ein anderes Model?«
    Ein zweites Model war nicht auf meinem Blasendiagramm.
    Â»Es ist ein Paar-Shooting,Welpenpfötchen«, erklärt Wilbur mir und schaut auf seine Uhr. »Ich bin mir sicher, das habe ich dir alles erklärt, obwohl das auch ein Traum gewesen sein kann. Und bestimmt nicht einer meiner interessantesten.« Er schaut noch einmal auf seine Uhr und seufzt. »Ja, da ist noch ein zweites Model. Und wie vorherzusehen war, kommt er zu spät. Wie immer.«
    Mir rutscht der Magen in die Knie. »Er?«, stammle ich schließlich.
    Â»Das ist das Personalpronomen, das wir benutzen, wenn das Subjekt männlich ist, Blütenblättchen. Und wenn mich meine Erinnerung nicht