Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Mode ist ein glitzernder Goldfisch

Titel: Mode ist ein glitzernder Goldfisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Smale
Vom Netzwerk:
bleibt. »Falls jemand anbietet, dir die Beine zu rasieren«, fährt sie mich schließlich an, »dann lass ihn ruhig.«
    Also, ich habe die ganzen Russen gefunden.
    Wenigstens die gut aussehenden jungen Russinnen. Sie stecken alle in einem kleinen Raum hinter der Bühne, zusammengezwängt wie schöne, dünne, blonde Sardinen.
    Ich habe mich noch nie so unwohl gefühlt. Überall nackte Haut. Weder Babyspeck noch Sport-BHs. Nein, hier spazieren richtig große, sonnengebräunte Mädchen herum und lachen und sind dabei so gut wie nackt, als wäre das der natürlichste Zustand auf der Welt.
    Ist mir egal, was irgendwelche Dokumentarfilme im Fernsehen behaupten: Das ist es nicht.
    Ich bin die Treppe hinter der Bühne runtergestiegen und habe den Raum betreten. Niemand hat mitbekommen, dass ich hier bin: Sie gehen an mir vorbei, als wäre ich bloß eine Praktikantin, und ich kann ihnen keinen Vorwurf machen. In der Schule ist Alexa die Coole, Nat ist die Schöne, und ein Mädchen namens Jessica ist diejenige, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit bis auf die Unterwäsche auszieht. Ich bin die Uncoole in der Ecke, die mit den behaarten Beinen und den weißen Socken.
    Eigentlich müsste ich in einem Loch unter dem Fußboden irgendwo verschwinden.
    Ich will mich langsam rückwärts zur Tür raus verziehen, durch die ich gerade gekommen bin.
    Â»Meine Tochter braucht mich«, ruft hinter mir eine Stimme. Als ich mich umdrehe, steht mein Vater auf Zehenspitzen an der Tür und versucht, über den Paravent zu spähen. »Ich sag Ihnen doch, sie braucht mich.«
    Â»Ich brauche dich nicht«, rufe ich zurück.
    Â»Sehen Sie?«, sagt mein Vater noch einmal und hüpft so hoch, dass Stirn und Nase auf- und wieder abtauchen. »Meine Tochter braucht mich. Ich verlange, dass sie mich augenblicklich in diesen Raum voller groß gewachsener russischer Models lassen.«
    Um Himmels willen.
    Â»Dad«, zische ich durch die Trennwand, »wenn du mich noch mehr in Verlegenheit bringst, schicke ich dich nach Hause. Ich meine es ernst.«
    Nach einer kurzen Pause seufzt mein Vater dramatisch. »Schön«, meint er eingeschnappt. »Dann gehe ich nach hinten und esse Sauerkraut, ja?«
    Â»Ja, bitte.«
    Â»Nur die Nebenrolle zu haben, ist ätzend«, murmelt er und schleicht sich.
    Ich lasse den Blick durch den Raum schweifen, der mit jedem Augenblick voller wird. Überall Aufruhr und Chaos: Tausende von Kleidern, Dutzende von Menschen, helle Scheinwerfer, Haarspray in der Luft, das Gebrüll der Haartrockner und Mädchen. Menschen nehmen Klamotten und hängen sie wieder auf. Hier schwitzen alle aus sämtlichen Poren Selbstbewusstsein aus. Ich bin hier fehl am Platz, und zwar so was von.
    Wenn ich mich ganz klein machen und in einem der Requisitenregale verstecken würde, würde gar keiner merken, dass ich nicht da bin. Ich meine, so wichtig bin ich schließlich auch wieder nicht, oder?
    Â»Da ist sie ja!«, ruft jemand, kommt auf mich zugelaufen und zieht mich in den Raum. »Unser Starmodel des Abends!«
    Oh.
    Damit ist meine Vermutung wohl widerlegt.

47
    D ies ist ein Neuanfang, erinnere ich mich immer wieder, als ich durch die Menge der Mädchen gezogen werde. Wie heißt der Spruch noch? Durch Schein zum Sein oder so. Es ist an der Zeit, dass ich so tue, als gehörte ich dazu, und irgendwann gehöre ich dann vielleicht tatsächlich dazu.
    Das hier ist schließlich nicht die Schule. Hier kann ich jemand anders sein. Cool. Anders. Ich muss nicht mehr die Streberin sein. Ich kann sein, wer ich will.
    Ich betrachte meine Tasche. Das rote Wort ist immer noch vage zu erkennen, und ich lege hastig die Hand darüber. Ich muss mir unbedingt eine neue Tasche kaufen.
    Â»Hallo«, sage ich selbstbewusst zu den Models, die alle innegehalten haben und mich jetzt mit zusammengekniffenen Augen mustern. »Hi, ich bin Harriet Manners. Freut mich, euch kennenzulernen.«
    Es funktioniert. Sie haben alle aufgehört zu reden, und ihre gespannten Mienen verraten mir, dass sie jeden Augenblick aufstehen und mich in die Arme nehmen und darüber streiten werden, wer meine russische Brieffreundin werden darf. Ich grinse erleichtert und strecke einer erstaunlich schönen Brünetten die Hand hin.
    Â»Leck mich«, sagt sie mit starkem Akzent, und dann dreht sie sich um und zieht ihre schwarzen Strümpfe fertig

Weitere Kostenlose Bücher