Mode ist ein glitzernder Goldfisch
Zeitung?«
Ich starre sie verdutzt an, und dann fällt der Groschen. »Glaubst du etwa, ich hätte das durch den Briefschlitz gesteckt?« Und dann fällt mein Blick auf den Umschlag. Darauf steht: Für dich, Nat. Es war die einfachste Art, es dir zu sagen.
Alexa ist wirklich ein Kotzbrocken.
»Das warst du nicht?«
»Natürlich nicht!«, keuche ich auf. »Du solltest es frühestens in ein paar Monaten erfahren.« Und dann zucke ich zusammen. Sicher nicht besonders klug, das zu sagen.
Allerdings. Nat reiÃt die Augen auf. »Du wolltest mich monatelang anlügen?«
»Also, nein ⦠weiÃt du ⦠bloà ⦠noch ein paar Tage.« Eigentlich weià ich gar nicht mehr, was wahr ist und was nicht. Was mich zu der Frage bringt: Hatte ich, bevor ich erwischt wurde, überhaupt je vor, Nat die Wahrheit sagen? Ich habe mir eingeredet, ich würde lügen, um sie zu schonen, aber stimmt das überhaupt? Habe ich mich selbst genauso an der Nase herumgeführt wie die anderen?
Nats Wangen werden immer röter. »Warum?«
»Weil ⦠weil â¦Â« Mir will einfach kein Grund einfallen. Vorher war alles vollkommen logisch, aber das ist es plötzlich nicht mehr. »Weil du auf der Clothes Show so sauer warst â¦Â«
»Weil du mich angelogen hast, nicht weil du entdeckt wurdest. Das habe ich dir doch gesagt.«
»Weil es dir wehgetan hätte.«
»Mehr als das hier?«
»Weil â¦Â«, ich lecke mir über die Lippen, »weil ich dachte, du würdest es mir verderben.«
»Du hast gedacht, ich würde es dir verderben?«, wiederholt sie verwundert. »Ich bin deine beste Freundin, Harriet. Warum sollte ich es dir verderben?«
»Weil ⦠du es nicht verstehen würdest. Und weil ich dachte, du wolltest dann nicht mehr meine beste Freundin sein.«
Die Ausreden strömen jetzt nur so aus mir heraus, aber in Wirklichkeit, geht mir plötzlich auf, ging es allein darum: Ich habe gelogen, weil es leichter war. Weil ich ein Feigling bin.
Weil ich anscheinend nicht viel von den Menschen halte, die ich gernhab.
Weil ich nur an mich gedacht habe.
Nat steht auf und die verletzte Fünfjährige ist augenblicklich verschwunden. Jetzt wirkt sie richtiggehend furchterregend. »Nein«, sagt sie abrupt. »Jetzt will ich tatsächlich nicht mehr mit dir befreundet sein. Raus hier.«
»Aber â¦Â«, setze ich an. Ich mache den Mund auf, um mich zu rechtfertigen, und schlieÃe ihn sofort wieder. Ich habe die ganze Woche nichts anderes getan, als nur an mich zu denken und zwanghaft zu lügen. Ich habe ihr nichts entgegenzusetzen.
»Sofort«, schreit sie wütend und kramt in einer Plastiktüte am FuÃende ihres Betts.
»Nat, es tut mir leid.«
»Raus«, schreit sie. So wütend habe ich sie noch nie erlebt. Ich sehe heute Nachmittag Extreme von Nat, deren Zeugin ich nie hatte werden wollen, ganz zu schweigen davon, sie ausgelöst zu haben. »Worauf wartest du noch, Manners? Suppe? Willst du immer noch Suppe?« Sie kramt etwas aus ihrer Tasche und schmeiÃt es in meine Richtung. Ein Becher grüne Thaisuppe klatscht hinter mir an die Wand und explodiert. »Da hast du deine verdammte Suppe.« Sie wühlt weiter in ihrer Tasche, und bevor ich michâs versehe, trifft mich zum zweiten Mal an diesem Tag etwas Essbares am Kopf. »Und das Brot dazu.« Ein Brötchen schlägt an mein Schlüsselbein. »Ich hoffe, du bist bald wieder gesund. UND JETZT VERSCHWINDE HIER, VERDAMMT!«
Gerade als ich denke, schlimmer kann es gar nicht mehr kommen, hebt Nat die Hand und schaut darauf. Mein Kinn fängt an zu zittern. Könnte sein, dass ich jetzt endlich eine Backpfeife kriege. Und zwar die, die ich wirklich verdiene.
Und dann schubst Nat mich, weil ich wie zur Salzsäule erstarrt bin, in den Flur.
Und knallt die Tür hinter mir zu.
56
A ls ich nach Hause komme, möchte ich nur noch ins Bett kriechen und weinen, aber das geht nicht, denn kaum öffne ich die Haustür, weià ich, dass es jetzt â auch wenn das kaum möglich scheint â noch viel dicker kommt.
Hugo liegt in seinem Körbchen, das Kinn auf dem Rand. Seine Augenbrauen zucken unglücklich, und dann richtet er den Blick sofort wieder an die Wand, als wollte er mich schneiden. Wissenschaftlern zufolge sind Hunde zu rund tausend verschiedenen Gesichtsausdrücken fähig, und es
Weitere Kostenlose Bücher