Model-Ich (German Edition)
hat.
MODEL-APARTMENTS
KANN MAN SICH ETWAS SCHÖNERES VORSTELLEN, als eine Wohngemeinschaft von einem Haufen Models zwischen 16 und 20? Der Traum vieler Männer ist in Wahrheit nicht ganz so aufregend. Kissenschlachten in Unterwäsche sind eher selten. Dafür gibt es jede Menge Abwasch, den keiner macht, nie saubere Handtücher, Haare im Abfluss und einen Pümpel neben dem ständig verstopften Klo. Und wenn mal die Sicherung rausfliegt, lebt man eben eine Woche lang bei Kerzenlicht.
Model-Apartments sind Wohnungen, die von Agenturen angemietet werden, die sie wiederum an die Mädchen weitervermieten. Ich schätze, die Agenturen bessern sich damit auch die eigenen Konten ein wenig auf, aber ich will nicht nachtragend sein.
Obwohl es durchaus Anlässe dazu gegeben hat. Das erste dieser Apartments, in das ich in New York gezogen bin, war milde gesagt eine Zumutung. Ein paar gewiefte Jungunternehmer hatten sich ein Konzept überlegt, von dem sie sich den ganz großen Erfolg in der New Yorker Immobilienbranche versprachen. Sie hatten in einem ziemlich runtergekommenen Geschäftshaus in Tribeca ein Loft angemietet. Tribeca fing damals gerade an, cool zu werden, größtenteils bestand die Nachbarschaft aus alten Fabrikgebäuden und verlassenen Bürohäusern. In einem davon hatten die Jungs also eine ganze Etage zu einer Wohnung renoviert. Wobei man von »Wohnung« kaum sprechen kann, denn mehr als zwei Badezimmer einzubauen und ein paar Wände zu
ziehen, hatten sie nicht gemacht. Ich kam mitten in einer Hitzewelle dort an und wurde überschwänglich von zwei Schwedinnen, einer Australierin und den unvermeidlichen Brasilianerinnen begrüßt. So weit sehr nett. Ich wunderte mich nur ein wenig darüber, dass sie alle Unterwäsche oder Bikinis trugen. Das kam mir selbst für eine Model-WG ungewöhnlich vor. Die Erklärung fand sich schnell. Es gab in der Wohnung nur eine Klimaanlage im Wohnzimmer und keine Fenster. Richtig: Keine Fenster. Und damit auch kein Tageslicht, keine frische Luft, keine Abkühlung. Ich hatte mich ohne mein Wissen bereit erklärt, an dem Experiment »Wie lange kann ein Model in einer Kiste überleben?« teilzunehmen. Nachts watschelte ich oft nur mit einer Unterhose bekleidet auf der Suche nach einer kühlen Ecke durch die Wohnung. In jedem Zimmer, an dem ich vorbeikam, lagen die Mädchen vor Überhitzung keuchend auf ihren Betten. Ein Anblick, den ich vermutlich nie vergessen werde.
Mittlerweile würde ich jeden verklagen, der versuchte, mir ein fensterloses Zimmer für 1200 Euro im Monat zu vermieten. Aber ich war 20 und wusste nicht, dass das nicht normal ist. So ist es wohl in New York, dachte ich, ist eben eine verrückte Stadt. Ich bin ungefähr ein Jahr lang in der Wohnung geblieben, mit Unterbrechungen, wenn ich zu Niklas nach Erfurt flüchtete oder nach Paris flog, um zu arbeiten.
Es folgten andere Apartments in anderen Städten. In den Pariser Wohnungen bröckelte meistens schon der Putz von der Decke und statt einer Küche gab es einen kleinen Gaskocher, auf dem man gerade mal einen Tee zubereiten konnte. In einer Wohnung in Mailand, die ansonsten nicht gerade luxuriös war, hing am Ende des Flurs ein Ganzkörperspiegel. Den hatte die Agentur dort sicher nicht unabsichtlich angebracht. So konnten sich die Mädchen beobachten, wenn sie ihren Lauf für den Catwalk übten. Jede dieser anderen Wohnungen hatte allerdings Fenster. Welch Privileg!
In allen WGs, in denen ich gewohnt habe, war ich die größte Glucke. Ich spülte Teller, kümmerte mich um kleine Reparaturen und räumte den Kühlschrank auf. Es waren nur Kleinigkeiten, aber sie gaben mir das Gefühl, das Chaos etwas erträglicher zu machen. Zum Glück gab es in jedem Apartment auch eine Putzfrau. Es ist unbeschreiblich, wie abartig ein Bad aussieht, das von acht Models benutzt wird. Nach nur zwei Tagen liegt über allem eine Kruste aus Zahnpasta, Rouge, Selbstbräuner und Haarspray. Von dieser Gefahrenzone einmal abgesehen, ist das Zusammenleben auch so hin und wieder anstrengend. Wenn zum Beispiel die kleinen Leckereien, die man sich leistet (Nutella ist in Japan so teuer wie eine Delikatesse) über Nacht aufgegessen werden. Oder wenn die geliebte Markenjeans, die man sich für 150 Dollar gegönnt hat, plötzlich verschwindet – und keiner will’s gewesen sein.
Trotzdem war ich gerade am Anfang meiner Karriere dankbar dafür, die Mädchen um mich zu haben. Ich war nie allein und wir teilten oft dieselben Probleme. Sie
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