Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
und einer Fleecejacke. Ideal für das bewölkte Wetter. Und irgendwie haben mir die Sachen eine Taille gezaubert, die mir (wie Wangenknochen) eigentlich fehlt.
Weitere Berühmtheiten marschieren über den roten Teppich. Edie erkennt einen jungen Minister. Ich erkenne zwei Sugarbabes. Dann, endlich, fährt noch eine Limousine mit getönten Scheiben vor, aus deren Hintertür ein vertrautes Paar Knie auftaucht.
»Da ist sie!«, kreische ich. Edie hat den Anstand mitzukreischen.
Langsam folgt den Knien ein Stück Oberschenkel und dann der untere Teil der Kirschtomate. Kameras blitzen. Den Saum des Kleides fest umklammert, rutscht Jenny vorsichtig zum Rand des Sitzes und manövriert sich aus dem Wagen. Jetzt verstehe ich, warum es Mädcheninternate gibt, wo so was ein eigenes Unterrichtsfach ist.
Jenny bleibt vor der Limousine stehen und wartet, bis sich ein dicker alter Mann im Smoking aus dem Wagen gekämpft hat. Wir kreischen, damit sie uns sieht, aber alle anderen kreischen auch, und sie hört uns nicht. Ihre Haare sind zu kleinen Ringellocken aufgedreht. Irgendjemand hatte die Idee, ihre Augen mit glänzendem grünem Lidschatten vollzukleistern. Und wer immer den Selbstbräuner aufgetragen hat, hates etwas zu gut mit ihr gemeint. Saumabwärts ist sie gelborange.
Die Kirschtomate war einmal. Jetzt leuchtet sie wie eine Ampel.
Nervös lächelt Jenny in die Flut der blitzenden Kameras. Der Dicke neben ihr (ihr Vater) nimmt sie am Ellbogen, und ein paar Männer in schwarzen Anzügen mit Funkgeräten geleiten sie zum roten Teppich. Sie macht ein Gesicht, als wäre sie auf dem Weg zum Schafott.
Als sie auf dem roten Teppich steht, winkt Hollywoods heißeste Frau ihr zu, und Hollywoods heißester Mann schenkt ihr ein kurzes Lächeln. Nur Joe Yule ist plötzlich sehr beschäftigt, einer Gruppe Fans Autogramme zu geben und in ihre Handys hineinzusprechen.
Jennys Vater legt sich mächtig ins Zeug. Auf der Suche nach Fernsehmoderatoren grinst er jeden, der eine Kamera hat, manisch an, auch die Menge. Eine Zeit lang schlingert Jenny in seinem Kielwasser. Dann entdeckt sie endlich unser wildes Winken und bringt ein halbes Lächeln zu Stande. Aus der Entfernung ist es schwer zu erkennen, aber ich könnte schwören, sie ist den Tränen nah. Dann rücken die Männer in den schwarzen Anzügen plötzlich zusammen, und sie wird durch die Türen ins Kino gebracht. Das war’s.
»Wie, fandst du, sah sie aus?«, fragt Edie. Immerhin ist das mein Fachgebiet.
Ich konzentriere mich ein paar Sekunden lang, verziehe angestrengt das Gesicht, aber mir fällt nichts ein.
Wenn du gerade vor dem größten Kino am Leicester Square deine beste Freundin auf dem roten Teppich neben der heißestenFrau der Welt gesehen hast – in perfekt sitzender Haute Couture von Armani, schwindelerregenden Manolo Blahniks und mit dem perfekten Ehemann an ihrer Seite –, und deine Freundin hat ausgesehen wie eine Verkehrsampel neben einem dicken, ausgebeulten Kerl mit Toupet, dann gibt es keinen passenden Ausdruck, um den Anblick angemessen zu beschreiben.
Am nächsten Tag sitze ich im Garten und versuche französische Grammatik zu pauken, als ich eine SMS bekomme: »Dorchester Hotel, 1/2 Std. frei, bitte komm jetzt. HILLLLFE!!!!«
Jennys PR-Tour ist in vollem Gange. Man hat sie im feinsten Hotel auf der Park Lane einer Meute Journalisten vorgeworfen, die den Film gesehen hat und sie dazu befragen will. Jenny hat mir die Liste mit den Regeln gezeigt, wie sie auf Fragen zu antworten hat:
Kein Wort über Hollywoods heißestes Paar, außer als Schauspieler.
Kein Wort über Joe Yules Freundin (es kursieren Trennungsgerüchte).
Kein Wort über den Vorfall mit der Erdnussbutter, dem Honig und dem Feuerlöscher in Ägypten.
Das Filmposter hinter dir muss immer gut zu sehen sein.
Erzähl die lustige Geschichte mit dem Affen beim Dreh in Marokko.
Kein Wort darüber, was Hollywoods heißeste Frau zu dem Affen gesagt hat.
Und so weiter, seitenweise. Die Geschichte mit dem Affen hat Jenny schon ungefähr fünfzigtausend Mal erzählt, und ich fand sie schon beim ersten Mal nicht besonders witzig. Außerdem fragt jeder Journalist immer als Erstes nach Joe Yules Freundin, so dass Jenny alle Interviews mit »Kein Kommentar« beginnen muss, was sie hasst. Ich nehme an, sie braucht eine Schulter zum Ausheulen, also ziehe ich einen von Krähes Röcken über den Liza-Minnelli-Anzug (ich bin mir nicht sicher, ob sie mich im Badeanzug ins Dorchester lassen
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