Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
gesprossen und saugt trotzig die Mittagssonne auf.
»Egal«, sagt sie und will verzweifelt das Thema wechseln. »Wie fandet ihr es gestern?«
Es entsteht eine lange Pause, während ich Edie mit Blicken beschwöre, die Ampel-Wirkung nicht zu erwähnen. Zum Glück werden wir abgelenkt, bevor Edie etwas sagen kann. Ein Bus fährt die Park Lane herunter. Auf der Seite prangt ein Foto von Jennys Gesicht, zwei Meter hoch, neben Joe Yule. Sie sieht makellos aus. Buchstäblich. Und dünn wie ein Supermodel. Es ist irgendwie surreal, sie so zu sehen. Besonders, wenn die echte Make-up-verschmierte Jenny hier neben uns sitzt. Edie springt aufgeregt auf und zeigt auf den Bus. Wir sehen uns um.
»Sie haben mich retuschiert!«, stellt Jenny beleidigt fest. »Selbst meinen Hals haben sie retuschiert! Ich dachte, das wäre die einzige Stelle, die nicht pickelig oder zu dick ist, aber sogar die mussten sie retuschieren.«
Edie und ich tauschen verzweifelte Blicke aus. Wir sind hier, um Jenny aufzumuntern, aber bis jetzt läuft es nicht so gut, wie ich gehofft hatte. Konzentriert spiele ich mit den Tulpenblättern an meinem neuen Rock, während ich überlege, was ich Nettes sagen kann.
»Das ist ein ungewöhnliches Teil«, sagt Jenny irgendwann und zeigt auf den Rock. »Hast du den gemacht?«
Erleichtert über die Gelegenheit, nicht über Kid Code oder Sir Lionel Merritt reden zu müssen, berichten wir ihr von dem Schulbasar. Edie erzählt von den drei Unheilsschwestern und ichvon Edies unglaublich cooler Rettungsaktion und dem Bibliotheksausweis. Wir fallen einander ständig ins Wort. Jenny sieht zwischen uns hin und her wie auf dem Tennisplatz. Als wir fertig sind, sind ihre Tränen getrocknet und ein Lächeln breitet sich auf ihren verschmierten Wangen aus.
»Schade, dass ihr nicht wirklich von Teen seid.«
Wir sitzen eine Weile ratlos da. Wir sind ungefähr das Gegenteil von Teen . Falls es die Zeitschrift überhaupt gibt.
»Aber wir müssen diesen Mädchen das Handwerk legen. Ich beschwere mich bei den Leuten von der Nachhilfe«, sagt Edie grimmig. »Es muss einen Weg geben.«
»Ich glaube, dass ihr Hauptproblem das Nylon ist«, sage ich.
Edie und Jenny sehen mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
»Kann ich etwas tun?«, fragt Jenny Edie. Offensichtlich haben sie mich aufgegeben.
Das wird schwierig. Jenny ist in den kommenden Wochen ständig unterwegs.
»Vielleicht kannst du ihr per E-Mail berichten, was die Leute in New York und Tokio so tragen?«, schlage ich vor. »Um sie auf Ideen zu bringen.«
Edie bleibt bei ihrem mitleidigen Blick.
»Sie kann kaum lesen und einen Computer hat sie auch nicht. Abgesehen davon, genialer Vorschlag.«
Ich bin geknickt.
»Vielleicht kannst du ihr was mitbringen«, murmele ich.
»Das wäre ein Anfang«, sagt Jenny. Dann fällt ihr plötzlich ein, dass die Pause längst vorbei ist und sie viel zu spät dran ist.
»Das gibt Riesenärger!«, heult sie dramatisch, dann kichertsie. »Aber was sollen sie machen – mich aus dem Film rausschneiden?«
Wir begleiten sie zurück ins Hotel, wo VIER PR-Leute in schwarzen Anzügen an der Rezeption stehen, hektisch herumtelefonieren und ihre BlackBerrys checken, während sie nervös nach Jenny Ausschau halten. Es ist so ähnlich, als würden zwei wütende Eltern auf einen warten, wenn man abends zu spät nach Hause kommt. Sosehr wir Jenny lieben, Edie und ich machen uns aus dem Staub. Es scheint ihr nicht zu viel auszumachen. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt.
Erst später, als wir wieder im Sonnenschein stehen, fällt mir ein, dass ich vergessen habe, Jenny nach Joe Yule zu fragen. Gestern auf dem roten Teppich war er irgendwie seltsam. Ist er ihr absichtlich aus dem Weg gegangen? Zu spät. Ich weiß, dass sie, wenn sie erst mal unterwegs ist, in ihren Textnachrichten oder E-Mails nichts Persönliches schreiben wird – man hat sie gewarnt, dass die abgefangen werden. Ehrlich, ein paar Hollywood-Stars zu kennen, ist schlimmer, als zum CIA zu gehen. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich die Wahrheit aus ihr rausbekomme.
Bald sind Sommerferien, die Prüfungen sind vorüber, der Unterricht wird runtergefahren und wir haben kaum noch Hausaufgaben. So hat Edie viel Zeit, über die Unheilsschwestern nachzudenken.
»Ich habe mit den Leuten von der Nachhilfe gesprochen«, erzählt sie mir eines Tages in Mathe. »Anscheinend können sie nicht viel tun. Sie meinten, Krähe bräuchte mehr Freunde. Das war mir auch
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