Modemädchen Bd. 1 - Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
alle anderen auch glücklich sind. Aus diesem Grund wird sie nicht müde, uns darauf hinzuweisen, dass wir eigentlich furchtbar unglücklich sind, und will uns bewegen, etwas dagegen zu tun.
Ich kann nur versuchen, das Thema zu wechseln.
Nachdem sie zuerst überhaupt nicht über Joe reden wollte, will sie neuerdings über nichts anderes reden. Zumindest mit mir.
»Was hat er gesagt?«
Sie lässt sich leicht ablenken. Verschwörerisch senkt sie die Stimme.
»Er hat den Verdacht, dass Lila in Kanada einen Freund hat. Er sagt, es ist schwierig, weil er sich von einem Mädchen nur eine Diät-Cola borgen muss, und schon heißt es, er würde sie heiraten. Das Gleiche gilt für Lila. Sie schwört, dass sie brav ist, aber er ist sich einfach nicht mehr sicher.«
»Und Joe? Ist er brav?«
Sie kichert.
»Na ja, falls er ungezogen ist, kann er nicht viel anstellen. Er verbringt schrecklich viel Zeit mit Mailen.«
»Ich dachte, du hast gesagt, das wäre gefährlich.«
»Ist es auch. Aber er vertraut mir.«
Waldbeer, mal wieder.
»Hör mal«, sage ich. Es tut mir wirklich leid, wenn ich ihr die Illusion nehmen muss, aber eins stört mich schon die ganze Zeit. »Er lebt doch hauptsächlich an der Westküste der USA, oder? Und du lebst in London. Ich meine, selbst wenn … du weißt schon. Wie soll das funktionieren? Ihr könnt doch nicht alles über E-Mail machen.«
»Nein. Du hast Recht.« Jenny versucht ein ernstes Gesicht zu machen. »Aber meine Agentin hat sich gemeldet. Sie hat in letzter Zeit vier Drehbücher bekommen, die vielleicht was für mich wären. Und eins davon ist ein Actionfilm, der in Kalifornien und auf Hawaii gedreht wird.« Ihre Augen leuchten. »Vier Monate lang, im nächsten Frühjahr.«
Inzwischen hat sich ein riesiges Grinsen auf ihrem Gesicht ausgebreitet. Sie scheint völlig vergessen zu haben, wie sehr sie beim letzten Mal gelitten hat.
»Und noch was. Die Produzenten sind sich ziemlich sicher, dass wir für die Golden Globes nominiert werden. Das wäre im Januar in L.A. Und weil alle so überzeugt davon sind, dass wir was gewinnen, wollen sie, dass ich auch komme.«
»Um was zu machen?«
»Auf Partys gehen. Nett zu Leuten sein. Vielleicht sogar zum offiziellen Dinner und über den roten Teppich laufen. Ich bin jetzt so was wie eine Style-Queen, schon vergessen?«
»Aber du hasst den roten Teppich!«
Jenny zwirbelt sich gedankenverloren eine rote Locke um den Finger.
»Früher vielleicht. Aber jetzt, mit dem richtigen Kleid …«
Und mit dem richtigen Jungen …
Das ist nun wirklich mal was Neues. Ich denke zwangsläufig an die Kirschtomate, doch mir wird klar, dass Jenny an das Marilyn-Monroe-Kleid denkt und daran, wie sie sich vor den Fotografen an Mister so Cool schmiegt, und an die Gratishandtaschen.
Als sie weg ist, googele ich wieder Joe und Lila. Die gleiche Geschichte. Die üblichen Gerüchte über jeden von ihnen mit anderen Leuten. Jennys Name fällt nie. Zur Abwechslung google ich mich selbst. Ich bekomme mehr Ergebnisse, als ich erwartet hätte, aber alle haben mit Edies Blog zu tun, der immer beliebter wird.
Vor Edie erwähnt Jenny nichts von Joe, was mich nicht überrascht. Das Problem ist weniger, dass sie ihr nicht vertraut. Aber wenn du versuchst, mit einem Filmstar zusammenzukommen, ist es ratsam, deine Geheimnisse nicht gerade den Leuten anzuvertrauen, die im Internet über dich schreiben. SoweitEdie weiß, sind Jennys derzeitige Leidenschaften Jane Austen, Netball und ihr neues Kätzchen Miu Miu. (Meine Idee. Sehr witzig während der ersten Tage, aber nach einer Weile nervt es ein bisschen. Wir überlegen, ob wir sie in Stella umtaufen sollen.)
In den Tagen nach dem Telefonat mit Amanda Elat füllt sich Mums Album mit Fotos von wunderhübschen It-Girls in Krähes Kleidern, und mit der zunehmenden Kälte draußen in einer wachsenden Zahl von Spinnwebstrickwaren. Inzwischen wird Krähe wagemutiger und kann mit dem Geld, das über Rebeccas Stand hereinkommt, ihre schönen Materialien weiterentwickeln und noch mehr zum Leuchten bringen.
Das Atelier ist voller Kleider in allen möglichen Herstellungsstadien. Krähe ist auch oft am Saint Martins College und hängt mit den Studenten rum, die noch mit ihr reden. Andere sind zu neidisch auf ihren Sprung in die große Modewelt, um ihre Existenz zu akzeptieren. In ihren Augen ist Krähe das Schoßhündchen irgendeines Professors und hat die ganze Aufmerksamkeit, für die sie sich selbst seit Jahren abrackern,
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