Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
werde.
Ich trage genug Eyeliner für einen Emo-Kongress und einzeln anklebbare falsche Wimpern für das gewisse Extra. Und vielleicht einen klitzekleinen Parfumspritzer zu viel, aber jetzt ist es zu spät.
So habe ich noch nie in meinem Leben ausgesehen und wahrscheinlich sehe ich auch nie wieder so aus. Ich bin eine richtig heiße Nummer und Alexander wird mir zu Füßen liegen.
»Schmuck?«, frage ich mit einem Anflug von Panik.
Krähe schüttelt den Kopf. Wahrscheinlich hat sie Recht. Ich habe schon dick genug aufgetragen.
Also schnappe ich mir meine Jacke und meine Vintagetasche aus dem Haufen am Boden in Krähes Atelier (ich gehe nicht supersorgfältig mit meinen Sachen um, das gebe ich zu) und bin fertig.
Mum steht im Flur und wartet.
»Donnerwetter«, sagt sie. »Du siehst … anders aus. Geh behutsam mit ihm um, Liebling. Er wird nicht wissen, wie ihm geschieht.«
Anders gut oder anders schlecht ? Doch es ist zu spät, um das rauszufinden, und ich gebe ihr ein Küsschen und verschwinde, bevor sie merkt, dass ich ihr Parfum genommen habe.
»Um Mitternacht bist du zu Hause, vergiss das nicht«, ruft sie mir nach.
Wie Cinderella. Ausnahmsweise darf ich länger weg, weil Harry dabei ist.
»Und lass ihn nicht …«
Bla bla bla. Ich höre sie nicht mehr, weil ich zum Taxi renne und mich auf meine Plateaus konzentrieren muss, damit ich draußen auf der Treppe nicht die Naomi Campbell mache. Man kann nicht so gut darin laufen, wie ich gehofft hatte. Vor allem nicht, wenn man sonst immer nur Converse trägt.
Der Klub, in dem Harry auflegt, ist ein nobler Schuppen nur für Mitglieder, der sich über mehrere Etagen eines alten Lagerhauses im East End erstreckt. Insgeheim hatte ich gehofft, dass Alexander im Eingangsbereich auf mich wartet, aber das tut er nicht. Ich schätze, ältere Typen verhalten sich nicht so wie deine Teenagerfreunde, die dich so schnell wie möglich sehen wollen. Aber der Klub ist riesig und Alexander könnte überall sein.
Als ich ihn endlich irgendwann an der Bar entdecke, hat mein Bauch mehrere Ballettstücke aufgeführt und meine Knöchel haben angefangen Prada mit einer Leidenschaft zu hassen, die ich ihnen gar nicht zugetraut hätte. Mir ist heiß, auf allen Ebenen. Trotzdem hoffe ich, dass ich cool und weltgewandt wirke.
Er sitzt auf einem Barhocker, ganz entspannt und glamourös. Ich bleibe stehen und klimpere mit den Wimpern in seine Richtung. Eine löst sich und landet in meinem Auge. Ich muss sie mit dem Finger rausholen.
In der Zwischenzeit kommt er rüber und küsst mich wieder auf die Wangen und lächelt dabei. Dann mustert er mich von oben bis unten und sein Lächeln verblasst ein bisschen.
»Wo sind die Beine, Stiefel?«
»Äh, die sind noch da«, sage ich.
Ich warte, dass er was Nettes zu meinem Kleid oder meinem Make-up oder meinen Haaren oder sonst was sagt.
»Willst du was trinken?«, fragt er.
»Ja!« Ich schlucke. »Wie war die Reise nach Kuba?«
»Hör auf, wie Ihre Majestät zu klingen!«
Er lacht, dabei versuche ich nur höflich zu sein. Ich kann nichts dafür, dass die Queen auch höflich ist. Was sollte man sonst jemanden fragen, der gerade von einer Reise nach Kuba zurückgekommen ist? Und man sich nicht zu fragen traut, wie er dein Kleid findet?
Wir gehen an die Bar und ich bestelle ein Glas Sekt. JA JA JA!
Umso überraschter bin ich, als der Barmann mir einen Smoothie hinstellt. Verwirrt sehe ich ihn mit meinen schweren falschen Wimpern an. Der Barmann grinst. »Dein Bruder war hier. Er hat mir gesagt, wie alt du bist. Das hier soll dein Zweit lieblingsgetränk sein.«
»Hat er dir auch gesagt, wie abgrundtief ich ihn verachte?«
»Ja«, sagt der Barmann, immer noch lächelnd. »Das hat er.«
»Cheers«, sagt Alexander und stößt mit mir an. »So. Erzähl mir von der Schule.«
Das muss das schlimmste Date aller Zeiten sein. Ich frage mich, ob ich den Smoothie stehen lassen, mein Taxigeld rausholen und einfach heimfahren soll. Glücklicherweise sieht Alexander meinen Ausdruck und beugt sich vor und streicht mir eine Locke aus dem Gesicht.
»War nur ein Witz, Stiefel«, sagt er und seine Stimme ist ein bisschen rau. »Ich habe dich vermisst. Erzähl mir von dir .«
Die nächste Stunde ist schön. Wir sitzen da und unterhalten uns. Er erzählt mir, wie es auf Kuba war, zu tanzen und Jugendlichen von der Straße zu helfen, aus denen große Stars werden könnten. Ich erzähle ihm von Krähes neuen Partykleidern und von der Qual der Wahl
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