Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Bruder gerade Platten auflegt.
Ich bin verwirrt. Jetzt ist es mein Kopf, der Pirouetten dreht. Es muss so eine Art Albtraum-Fata-Morgana sein, ausgelöst durch den Stress des ersten Kusses.
Ich lege den Arm um Alexanders Hals und sehe heimlich auf die Uhr. Zehn nach elf. Noch zwanzig Minuten, bis ich ihn bitten kann mir ein Taxi zu rufen.
»Darf ich um diesen Tanz bitten?«, fragt er.
Ich nicke erleichtert. Tanzen kann ich verkraften.
»Übrigens«, frage ich, »was ist da hinter der Tür?«
»Das ist der VIP-Bereich«, sagt er. »Wo die Stars sind. Ich kenne den Türsteher. Willst du mal reinschauen?«
Ich schüttele energisch den Kopf. »Nein. Wirklich nicht.«
»Du tanzt lieber, oder?«
Er zwinkert mir selbstbewusst zu, überzeugt davon, dass ich jede seiner Bewegungen zum Dahinschmelzen finde.
Noch neunzehn Minuten. Ich folge ihm auf die Tanzfläche.
»Es war toll«, sage ich. »Er ist sooo ein guter Tänzer.«
»Und?«
»Und?«
»Hat er dich geküsst, du Blödie?«
Ich nicke.
»Und?«
»Und es war schön.«
Jenny sieht mich sehr argwöhnisch an.
»Wirklich?«
»Ganz wirklich. Es ist nur, du weißt schon, man kann es schlecht beschreiben.«
Sie sollte es wissen. Sie hat selber total versagt, als sie mir ihren ersten Kuss beschreiben sollte. Und das war mit einem HOLLYWOODSTAR bei den Dreharbeiten zu Kid Code und er HAT IHR DAS GANZE GESICHT ABGEKÜSST.
»Versuch’s.« Sie sieht mich immer noch argwöhnisch an.
Stattdessen erzähle ich ihr von dem Klub und den Samtsesseln und wie Harry aufgelegt hat. Und beinahe erzähle ich ihr auch von der Königin des Bösen, doch ich kann mich gerade noch bremsen. Wahrscheinlich habe ich es mir sowieso nur eingebildet.
Jenny sieht genau, dass ich um den heißen Brei herumrede, aber sie hakt nicht nach. Stattdessen lächelt sie still in sich hinein und fragt: »Wann trefft ihr euch wieder?«
»Wir haben noch nichts ausgemacht«, sage ich. Was mein Code ist für: »Er hat noch nicht angerufen oder gesimst, also weiß ich nicht, was Sache ist.«
Eigentlich müsste ich deswegen verzweifelt sein, aber aus irgendeinem Grund bin ich es nicht. Eher erleichtert, bis jetzt zumindest, aber das würde ich NICHT IN EINER MILLION JAHREN vor Jenny zugeben.
Wir sitzen in der Schulcafeteria und essen zu Mittag. Edie kommt nach dem Debattierklub auch dazu, den sie immer montags hat. Fast jeden Tag hat sie irgendwelche Extrakurse und AGs, aber montags ist es am schlimmsten. Sie bräuchte einen von Hermine Grangers Zaubertricks, mit dem sie die Zeit zurückdrehen könnte, aber wir sind hier leider nicht in Hogwarts.
Als sie endlich kommt, setzt sie sich lächelnd, trinkt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und macht eine Bemerkung, bei der Jenny und ich fast unser Essen auf den Tisch husten.
»Wusstet ihr eigentlich, dass Sigrid Santorini in der Stadt ist?«
Oh. Mein. Gott. Ich hatte so gehofft, dass ich mich geirrt habe.
Und noch wichtiger: WOHER ZUM TEUFEL WEISS EDIE DAVON? So was steht nicht in der Financial Times . Und ich habe erlebt, wie Edie weniger als einen Meter neben einer der berühmtesten Frauen des Planeten steht und nichts davon mitkriegt.
»Hat mir meine Mutter heute Morgen erzählt«, sagt sie beiläufig. »Sie dachte wohl, es interessiert mich. Was nicht der Fall ist, muss ich zugeben, aber ich dachte, euch interessiert es vielleicht. Da ist irgendein Filmfestival, das sie besucht. Mum hat es im Radio gehört.«
Nach der Schule gehen wir zu mir, um Sigrid zu googeln. Im Flur treffen wir Krähe. Sie hat früher Schule aus als wir und ist meistens vor mir zu Hause.
»Sigrid ist in der Stadt!«, rufen wir einstimmig wie eine hysterische Girlie-Band.
Krähe sieht uns gelassen an.
»Ich weiß«, sagt sie. »Sie hat mir gerade eine Nachricht geschickt. Sie will ein neues Kleid.«
Die nächste Stunde surfen wir im Internet.
Vor achtzehn Monaten hat Sigrid eine supererfolgreiche Komödie mit Joe Yule gedreht, der Jennys Schwarm war (und meiner und der der Hälfte aller Frauen im Universum – nur dass Jenny von ihm geküsst wurde, bevor Sigrid aufgetaucht ist). Nächste Woche wird der Film auf einem Festival gezeigt, doch Joe ist damit beschäftigt, bei irgendwelchen Dreharbeiten der neue Teenager-Sexgott zu sein, weshalb Sigrid allein eingeflogen wurde, um der Menge zuzuwinken. So lange wohnt sie in einem schicken kleinen Hotel in Soho, besucht ein paar europäische Filmpreisverleihungen und trifft sich mit »guten alten Freunden von ihren
Weitere Kostenlose Bücher