Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Mumbai, die keine Hütten oder Hochhäuser sind, sehen dem V&A ZUM VERWECHSELN ähnlich. Als hätte jemand die prächtige viktorianische Fassade geklont, nach Indien versetzt, am Meer wieder aufgebaut und mit Vogelmist garniert. Wird mir das bei den Erdkundeprüfungen helfen? Schön wär’s, aber ich bezweifle es.
Als wir im Hotel ankommen, bieten die Patils netterweise an uns zum Abendessen auszuführen, aber mit einem Mal sind wir total erledigt. Edie, Krähe und ich teilen uns ein Zimmer. Wir gehen ins Bett und reden über unsere Pläne, doch dann wechselt Edie das Thema und fängt wieder von Mathe an, und Krähe und ich schlafen sofort ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, sitzt Edie schon an ihrem Computer.
»Du lernst doch nicht etwa für die Schule, oder?«, frage ich verschlafen. Das wäre einfach nicht fair.
»Nein«, sagt sie. »Ich update meinen Blog. Und schreibe E-Mails. Phil will wissen, wie wir vorankommen.«
Selbst wenn wir auf einer einsamen Insel gestrandet wären, würde Edie sich an den Computer setzen, ihren Blog updaten und E-Mails an Phil von No Kidding schreiben, schätze ich. Sie schreibt ihm in letzter Zeit ziemlich oft. Und er schreibt ihr jedes Mal zurück. Er scheint sich sehr für unsere Reise zu interessieren.
Beim Frühstück sagt Harry, dass Mrs Patil angeboten hat uns die Sehenswürdigkeiten zu zeigen, und falls wir nichts dagegen haben, würde er in der Zeit gern ein Jazzfestival besuchen, von dem er gehört hat, auf einem Gelände direkt am Strand.
»Wollten wir nicht die Fabrik besichtigen?«, fragt Edie und macht ein enttäuschtes Gesicht.
»Morgen«, sagt Harry. »Die Patils finden, wir brauchen einen Tag, um uns zu akklimatisieren.«
Er sieht Krähes und meinen verständnislosen Blick.
»Uns an die Hitze gewöhnen«, erklärt er.
»Ach so.«
Mrs Patil kommt und Harry geht seiner Wege. Nach einer Runde fröhlicher Begrüßungen fällt Mrs Patils Blick auf mich und ihr Lächeln gefriert. Ich spüre, dass etwas nicht in Ordnung ist. Etwas, das mit meinen Beinen zu tun hat. Ich blicke mich in der Hotellobby um und mir wird klar, dass trotz der dreißig Grad, die bald draußen herrschen, Spitzen-Hotpants in Mumbai einfach nicht angesagt sind.
Mrs Patil trägt einen wunderschönen blauen Sari, wie einige der anderen Frauen auch. Die meisten tragen moderne Röcke, T-Shirts und Hosen, und alle sehen, wie Mum sagen würde, »anständig« aus. Während ich aussehe wie aus einem Christina-Aguilera-Video.
Also renne ich noch mal hoch in unser Zimmer und ziehe mich um. Dann eben Haremshosen. Eigentlich nicht mein Lieblingslook, ich habe sie nur für kühle Abende eingepackt, ansonsten herrscht in meinem Koffer leider ein Überangebot an Hotpants. Unnötig zu erwähnen, dass Edie wie eine reisende Gouvernante aussieht, und Krähe hat einen golden-lila Kaftan an, den sie in dreißig Sekunden gemacht hat, während ich beim Packen war, und sie sieht super darin aus.
Als ich wieder runterkomme, scheucht mich Mrs Patil schnell durch die Tür. Ihr Fahrer steht draußen und kann nicht lange halten, bevor der Stau, den er verursacht, ungemütlich wird. Als wir im Wagen sitzen, dreht sie sich im Beifahrersitz zu uns um und sagt: »Also. Sehenswürdigkeiten. In Mumbai gibt es viele interessante und faszinierende Bauwerke. Und Galerien und Museen. Auch der Zoo ist sehenswert. Der Hafen ebenfalls. Wo wollen wir anfangen?«
Wir sehen einander an. Ich spiele mit den Falten meiner Haremshose und wir sagen nichts. Edie kann sich zwischen all den Möglichkeiten nicht entscheiden, und Krähe und mir ist es vollkommen egal. Krähe hat auf alles Lust, solange sie dabei Leute beobachten und sich inspirieren lassen kann. Ich habe nur auf eine Sache Lust, aber ich wage nicht es laut zu sagen.
Als Mrs Patil unsere Gesichter sieht, fängt sie an zu lachen.
»Ich ziehe euch nur auf. Ich habe ständig Freundinnen zu Besuch, die ich durch die Stadt führe. Ich weiß genau, worauf ihr Lust habt. Wie wäre es mit Shopping?«
JA!
Manchmal im Leben – selbst wenn euer blöder Ex-Nicht-Freund so tut, als ob er euch nicht kennt, und die Königin des Bösen euer Elle -Shooting sabotiert und zu Hause die schwersten Prüfungen des Schuljahrs warten – manchmal gibt es ganz besondere Glücksmomente. Einer davon ist, in einem Stoffgeschäft zu sitzen, Tee zu trinken und eurer Designer-Freundin zuzusehen, wie sie Meter um Meter traumhafter regenbogenfarbener Sariseide für »Recherche-Zwecke«
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