Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
genau, was gemeint ist. Ich wünschte, sie hätten mehr Punkte und Kommas benutzt. Oder normale Wörter, die ich verstehe. Insgesamt vermute ich, sie wollen sagen, dass ihnen Krähes Entwürfe gefallen und sie ihr ein Jobangebot machen möchten. Einen Job als richtige Designerin bei einem großen neuen Modehaus namens Alphia. Mit einem festen Gehalt und einem Büro und Ateliers voller Mitarbeiter. Wissen sie, dass Krähe im Januar erst sechzehn wird? Irgendwie klingt das Ganze ein bisschen bombastisch für eine Sechzehnjährige, aber sie haben Krähe schließlich kennengelernt, und anscheinend halten sie sie für qualifiziert. Was würden sie mit mir machen? Ich werde in der E-Mail nicht erwähnt. Ich müsste ihnen erklären, dass ich die mit der Chuzpe bin. Aber es hört sich sowieso alles wie ein Traum an. Etwas Verrücktes, das ich Krähe erzähle und dabei zusehen kann, wie sie große Augen kriegt.
Mum streckt den Kopf durch die Tür. Sie bringt mir einen heißen Kakao und sieht mich mit einem »Tut mir leid, dass ich das Haus verkaufe«-Ausdruck an. Sie fragt, was ich mache, und ich sage ihr, Französisch.
»Braves Mädchen«, sagt sie und streicht mir übers Haar. »Ich habe mir gedacht, dass der neue Laptop vielleicht ein netter Anreiz ist.«
»O ja«, stimme ich zu.
Ein schöner neuer Laptop für mein schönes neues Zimmer in unserem schönen neuen Loft in East London, weit weg von meinen Freundinnen und auch ohne Platz für Krähes Atelier, wenn ich es recht bedenke. Aber das braucht sie ja nicht mehr, weil sie dann ihr eigenes Atelier hat oder vielleicht sogar in New York für ein Mega-Label arbeitet. Kein Problem. Überhaupt kein Problem.
Aus heiterem Himmel platscht eine Träne auf meine Tastatur. Aber vielleicht ist das ganz gut. Vielleicht werden davon wenigstens die Tasten sauber.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn meine Mutter unsere Wohnung verkauft«, seufzt Jenny mit vollstem Mitgefühl.
Wir sitzen bei ihr in der Küche, wo ein Sammelsurium von Stühlen um den runden Holztisch steht, die zwar irgendwie zusammenpassen, aber so aussehen, als hätte jeder ein anderes Leben hinter sich. Gloria Merritt nennt es »Shabby Chic«. Mum nennt es »Sperrmüll«. Jedenfalls sorgt es für eine gemütliche Atmosphäre.
Ich sage nichts. Natürlich freue ich mich über Jennys Mitgefühl, aber sie reitet nun schon seit einem Monat darauf herum, und es wäre mir lieber, wenn wir nicht mehr darüber sprechen würden. Ich versuche das mit unserem Haus zu vergessen. Viel lieber rede ich von Stellas drei jungen Kätzchen, die ZUM ANBEISSEN SÜSS sind und mit ihrer Mutter in einem Körbchen in der Ecke liegen.
Ich hatte gehofft, dass ich ihnen wieder Namen geben darf wie bei Stella, und ich habe Jean, Paul und Gaultier vorgeschlagen, aber Jenny hat den Kopf geschüttelt. Natürlich hat sie nur Musicals im Kopf. Also habe ich es mit Andrew, Lloyd und Webber versucht, doch sie sagte, ich soll nicht kindisch sein. (Dass eins der Kätzchen ein Weibchen ist, spricht auch nicht gerade dafür.) Edie hat Macavity, Gus und Jemima vorgeschlagen, die Namen aus Cats (Musical), die aber ursprünglich von T. S. Eliot stammen (Dichter und deswegen offiziell befähigt, sich gute Namen auszudenken). Wieder hat Jenny den Kopf geschüttelt: die Kätzchen nach Cats zu benennen sei zu naheliegend. Dann hat sie ein Dutzend Namen aus Musicals aus den fünfziger Jahren vorgeschlagen, von denen wir noch nie was gehört haben. Im Moment stecken wir in einer Sackgasse.
Krähe hat sich aus der Namensgebung rausgehalten, was sehr weise von ihr ist. Sie beschränkt sich darauf, für die Kätzchen Bommeln zu machen. Glücklich sitzt sie neben ihnen auf dem Boden und wickelt Wolle um ein Stück Pappe, wie ich es früher im Kindergarten gemacht habe. Wahrscheinlich hat sie ganz vergessen, dass sie eine richtige Modeschöpferin ist. Und wir haben auch nicht mehr von richtiger Mode gesprochen, seit ich ihr von der Kamelhaar-E-Mail erzählt habe und ihre Augen so groß wie Suppenteller wurden. Seitdem haben wir hauptsächlich mit Prüfungen und Panikattacken zu tun. Im Moment ist Krähe ein ganz normales Mädchen, die eine Freundin mit jungen Kätzchen hat und mit Wolle spielt. Krähe hat sich schon eine Halskette aus Bommeln gemacht, und wahrscheinlich muss ich sie bitten, mir auch eine zu machen.
»Ich muss sagen, hier sieht es viel besser aus«, sagt Edie. Anscheinend hat sie gemerkt, dass ich nicht mehr über zu Hause
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