Moderne Piraten
ich Ihnen in diesen schweren Stunden zur Seite stehe. Ihr armer Vater! Er hat wohl nicht gewußt, daß dieser neue Chauffeur ein von der Polizei gesuchter Verbrecher war. Ich kam hierher, um Sie schonend darauf vorzubereiten, daß die Polizei eine Durchsuchung seiner Sachen vornehmen muß.«
»Grauenhaft! Entsetzlich! Wenn mein armer Vater das noch erlebt hätte! Polizei in unserm Hause! Undenkbar.«
Er ließ ihre Hände. »Ich lasse Sie für kurze Zeit allein, liebe Susanne. Ich muß die Beamten von der veränderten Lage in Kenntnis setzen und will dafür sorgen, daß sie ihre Pflicht so schnell und unauffällig wie möglich tun. Dann komme ich wieder zu Ihnen zurück.«
Längst hatten die Beamten das Haus wieder verlassen, doch noch lange blieb Gransfeld. Als ergebener Freund stand er der Verwaisten in den kommenden schweren Tagen zur Seite. —
Nicht viel brachte der Landgerichtsrat Bergmann von seinem Besuch in Rasmussens Haus mit. Nur ein schmales Büchelchen war es, aber dieses unscheinbare Bändchen enthielt den so lange gesuchten Chiffreschlüssel. Jetzt konnten die Briefe gelesen werden, die immer noch unentziffert bei den Akten lagen, alle jene Briefe, die man in Henkes Wohnung in Gorla beschlagnahmt hatte, die Briefe, die dort noch nach seiner Flucht auf dem Postamt angekommen waren, und zuletzt auch den Brief, den Megastopoulos in Genf für Morton schrieb und in dem er ihm den Befehl des Chefs mitteilte, sofort nach Duncan-Castle zu kommen.
Kopien der entschlüsselten Briefe wurden verschickt, und die Polizei aller Länder bekam neue Arbeit.
»Der Teufel soll Sie holen, Jefferson, wenn mir das noch einmal vorkommt.«
Während Mac Andrew das sagte, hielt er in der Rechten eine gläserne Tube mit weißen Tabletten, die er eben zwischen Sitz und Lehne eines Klubsessels herausgezogen hatte. »Der Teufel soll Sie holen, Jefferson, wenn ich so etwas noch einmal entdecke.« Ärgerlich schüttelte er die Faust gegen ein menschliches Wrack. Lose schlotterten die Kleider um den Körper des Gescholtenen, an einen Totenkopf erinnerte das bleigraue, skelettartig abgemagerte Gesicht.
»Mon Dieu, Mac Andrew, haben Sie Nachsicht!« fiel ihm die Dimitriescu ins Wort. »Der arme Jefferson leidet sehr unter der Entziehung der Betäubungsmittel.«
»Schöne Entziehung, wenn er überall seine Pülverchen hat«, knurrte Morton dazwischen.
Jefferson war vor der drohenden Bewegung Mac Andrews zurückgewichen und hatte sich hinter einen andern Sessel geflüchtet. Da stand er, ließ den Unterkiefer blöde hängen und schielte Mac Andrew halb furchtsam, halb tückisch an.
»Wird wohl nicht das einzige Versteck sein, was Sie da durch Zufall entdeckt haben, Mac Andrew«, fuhr Morton fort. »Vermute, der hat sich noch mehr auf Vorrat gelegt.«
Während Morton sprach, beugte Jefferson sich über die Sessellehne und umklammerte sie mit beiden Armen.
»Oho, Mac Andrew! Sieht ganz so aus, als hätte er da noch mehr.«
»Meinen Sie, Morton? Wäre doch toll.«
Mit schnellen Schritten ging Mac Andrew auf den Sessel zu. Ohne sich weiter um Jefferson zu kümmern, griff er in die Fugen zwischen Sitz und Lehne. »Verdammt, Sie haben recht, da ist noch was.«
Er beugte sich hinab, um noch tiefer in die Fuge hineingreifen zu können. Gespannt folgten die Dimitriescu und Morton seinen Bewegungen.
»Ha, Räuber, Dieb!« Mit undeutlichen Schreien durchmischt kam’s aus Jeffersons Munde. Im Augenblick war er über Mac Andrew. Sein Arm fuhr durch die Luft, etwas Blankes blitzte in seiner Hand. Zu spät sprang Morton dazwischen. Zu spät schleuderte sein Faustschlag den tobenden Jefferson in einen Winkel. Denn schneller als die andern es begreifen konnten, war’s schon geschehen; ein Messer stak bis zum Griff zwischen den Schultern Mac Andrews. Schwerfällig sank er hintenüber auf den Teppich. Ein paar krampfartige Zuckungen noch, dann lag sein Körper regungslos.
Die Dimitriescu schrie gellend auf und wandte sich ab. Morton kniete neben dem Liegenden nieder und rief ihn an. »Hallo, Mac Andrew, wie steht’s?«
Er schob seinen Arm unter dessen Nacken und hob den Rumpf an. Kraftlos fiel der Kopf Mac Andrews zur Seite. »Dammie, dammie, böse getroffen!« Er griff nach Mac Andrews Hand, versuchte den Puls zu fühlen. Der Puls stand still.
»Kommen Sie, Miß Dimitriescu, helfen Sie mir! Wir müssen ihn auf irgendein Lager bringen. – Was war das? Hat jemand geklopft?«
Schon öfter als einmal hatte es an der Tür geklopft. In der
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