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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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er den Beutel in das Versteck und legte die Fliese darüber. Dann wandte er sich zu Altmüller. Dieser preßte die Finger der einen Hand auf die Lippen und winkte ihm mit der andern, näher heranzukommen. Henke tat es. Jetzt! Was war das? Man vernahm ein Geräusch in dem Kessel. Im nächsten Augenblick lag auch sein Ohr an der Kesselwand. Mit verhaltenem Atem lauschten beide. Ein scharrendes Geräusch ertönte darin, als ob sich jemand zwischen der Kesselwand und dem Rohrsystem im Kesselinnern bewegte. Jetzt erklang ein metallisches Dröhnen, wie wenn der Körper stärker gegen die Röhre angestoßen hätte. Nun verzog sich das Geräusch mehr nach der andern Kesselseite hin. Henke biß sich auf die Lippen, bis sie bluteten. Die andere Seite, dort war das Mannloch!
    Mit einem Sprung war er auf den Füßen und lief um den Kessel herum. Lautlos hob er den schweren Mannlochdeckel auf und schob ihn über die Befestigungsbolzen am Mannlochrand. Die Schraubenmuttern lagen in Griffweite, sechzehn Muttern für die sechzehn Bolzen. So schnell wie jetzt hatte Henke in seinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet. Erst zwei Muttern auf zwei gegenüberstehende Bolzen! So, die saßen. Raus konnte das, was da drin war, nicht mehr. Und nun zwei andere Muttern auf einen andern Lochdurchmesser rechtwinklig zu dem ersten. Dann noch zwei und nochmal zwei, und nun saßen alle sechzehn. Er griff nach einem Schraubenschlüssel und zog sie fest an.
    Klirrend ließ er den Schlüssel auf die Fliesen fallen und lief wieder zur andern Kesselseite hin. Dort war ein Rohr mit einem Ventil daran. Beim Klang des eben fallenden Schlüssels war Altmüller zusammengefahren. Er richtete sich auf, als die Ventilspindel unter Henkes Fäusten sich zu drehen begann, als Wasser rauschend in den Kessel fiel. »Henke, was tust du? Um’s Himmels willen!« Er versuchte Henke in den Arm zu fallen.
    Mit jähem Stoß schleuderte der ihn zurück, daß er taumelte. »Pack dich! Sonst …« Er griff nach einer Brechstange. Drohend schwang er sie empor, bereit, den andern niederzuschlagen. Dieser wich zurück, entsetzt vor dem Gesichtsausdruck Henkes. Wie versteinert waren dessen Züge, alles Menschliche schien aus ihnen gewichen. Ein finsterer, zu allem entschlossener Fanatismus sprach aus diesen Augen, Augen, die die Augen – eines Mörders waren.
    Das Wasser stieg; schon hatte es im Wasserstandsglas die rote Marke erreicht. Mechanisch wie ein Automat drehte Henke das Ventil mit der Linken zu, während er, die Brechstange in der Rechten, Altmüller nicht aus den Augen ließ. Das Rauschen des strömenden Wassers ließ nach. An Henkes Ohr, der dicht bei dem Kessel stand, drang ein anderes Geräusch, ein Plätschern, ein Kratzen und Scharren, als ob da drinnen sich jemand vor dem Wasser nach oben retten wollte. Henke horchte. Er schien zu zögern. Dann verzerrten sich seine Züge zur Grimasse. Ein schneller Sprung zu einem andern Ventil, und Dampf strömte in den Kessel. Ein Pfeifen, Gurgeln und Rauschen, wo Heißdampf und kaltes Wasser sich trafen. Schon begann das Kesselmanometer steigenden Druck zu zeigen. Da, hatte es nicht wie ein Schrei aus dem Kessel geklungen, wie der Schrei eines lebenden Wesens in höchster Todesnot? Einen Augenblick schien Henke zu wanken, sich an dem Ventil festhalten zu müssen. Dann stand er wieder aufrecht und regungslos wie eine Statue. Nur die Augen in dem bleichen, starren Gesicht folgten dem Manometerzeiger, der schnell und immer schneller stieg. Acht Atmosphären! – Zehn Atmosphären! Seine Hand ließ den Ventilgriff fahren. Immer noch die schwere Stange in der Rechten, ging er auf Altmüller zu, der ihn wie geistesabwesend anstarrte, Schritt für Schritt vor ihm zurückwich, weiter, immer weiter, bis die Saalwand ihn zum Halten zwang. »Laß mich, Henke! Laß mich! Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr!«
    »Narr, verdammter Narr, du! Was weichst du mir aus?«
    »Der Kessel, Henke!« Mit bebenden Fingern wies Altmüller dorthin.
    »Der Kessel? Bist du denn ganz toll geworden? Was ist los mit dem Kessel?«
    »Der Kessel! Du hast …« Drohend schwebte die Brechstange über Altmüllers Kopf. »Was habe ich? Nichts habe ich! Oder …!«
    Wie zum Schlage hob sich die Stange.
    Abwehrend streckte Altmüller die Hände aus. »Nicht schlagen, Henke, nicht schlagen!«
    »Hast du etwas gesehen?«
    Altmüller flimmerte es vor den Augen. In tausend Spiegelungen brach sich das Licht der Lampen an den scharfen Kanten der stählernen

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