Moderne Piraten
einer Kopie oder, sagen wir deutlicher, einer Fälschung aufgenommen sind, denn die Statuette, die uns hier gezeigt wurde, war zweifellos echt.«
Onkel Georg hat sicherlich auch keine Fälschungen gekauft, dachte Gransfeld bei sich. Laut fuhr er fort: »Ich glaube gute Gründe zu haben, daß auch meine Bilder ein echtes Kunstwerk darstellen. Darüber würde ich mich gern mit Monsieur Megastopoulos unterhalten, wenn er wieder hierher kommt.« »Megastopoulos? Ah, Herr Doktor, Sie kennen den Herrn?
Doch woher wissen Sie, daß er es war, der uns die Statuette anbot? Er legte Wert darauf, daß sein Name in den Pressenachrichten über diesen Handel nicht genannt würde.«
»Ich kenne ihn von Ägypten her, Herr Direktor. Meine Vermutung, daß er Ihnen das Angebot machte, trifft also zu. Darf ich fragen, wann Sie ihn wieder erwarten?«
Duprès blätterte in einem Kalender. »Heute haben wir Donnerstag.« Er zählte an den Fingern. »Sonntag – Montag; er müßte nach der Verabredung am Montag wieder hier sein. Hoffentlich hat er sich die Sache inzwischen überlegt und läßt vom Preise etwas ab. Seine Forderung ist für unser Institut unerschwinglich.«
Gransfeld schrieb seine Hoteladresse auf und gab sie Duprès.
»Ich wäre Ihnen für eine Benachrichtigung dankbar, Herr Direktor, wenn Monsieur Megastopoulos wieder hier ist.« Als Gransfeld ein leichtes Zögern bei dem andern bemerkte, fügte er hinzu: »Sie brauchen in mir keinen Nebenbuhler zu wittern, Herr Direktor, der Ihnen das Kunstwerk abspenstig machen will. Lediglich der Wunsch, Herrn Megastopoulos wiederzusehen, veranlaßt mich zu der Bitte.«
Ein kurzer Abschied noch, und der Doktor kehrte in seinen Gasthof zurück. Wie vor kurzem Monsieur Duprès, zählte er jetzt an den Fingern. Vier lange Tage waren es noch bis zur Rückkehr dieses verdächtigen Griechen. Er hatte wenig Lust, diese Zeit über untätig in Genf zu sitzen.
Von allen Seiten her winkten und lockten ja die schneeigen Gipfel der Alpenwelt. In Rudeln zogen die Touristen mit ihren Skiern in die Berge. Warum sollte er’s nicht ebenso machen?
Der Plan für einen dreitägigen Ausflug war schnell zusammengestellt. Mit dem Dampfboot wollte er von Genf nach Nyon und von dort eine Wanderung über die Berge unternehmen. In zwei Tagen konnte er das neue Almhotel am Hange des Mont Tendre bequem erreichen, am dritten Tag dann zu Tal bis nach Ouchy marschieren und von da mit dem Dampfboot nach Genf zurückkehren. Kurz entschlossen besorgte er sich Skier. Schon mit dem ersten Boot, das am Freitagmorgen abging, verließ Gransfeld Genf.
Am Sonnabendnachmittag zog er auf den Schneehängen des Mont Tendre in nordwestlicher Richtung dahin. Auf die winterliche Landschaft brannte die Sonne mit fast tropischer Kraft vom stahlblauen Himmel herab. Ein blendendes Flimmern und Schimmern herrschte auf der weiten, weißen Fläche, das nur die dunkle Schneebrille erträglich machte. Gransfeld wurde es warm, während er Kilometer um Kilometer auf den langen Brettern über die glatte Bahn dahinglitt.
Bei diesem flotten Tempo war es höchstens noch eine Stunde bis zum Hotel de Montagne, überreichlich Zeit also. Er beschloß, eine Rast zu machen, und sah sich nach einem passenden Ruhepunkt um. Schräg vor ihm lag eine mächtige Schneewächte, darunter, soweit er erkennen konnte, ein größerer, schneefreier Fleck. Das war ein idealer windgeschützter Platz, um sich zu strecken und zu sonnen. Er steuerte darauf zu. Je näher er kam, desto deutlicher traten die Einzelheiten hervor. Kleine Steine wuchsen zu großen Blöcken, und dort … Er schob die Schneebrille auf die Stirn und schloß einen Augenblick, von der Helligkeit geblendet, die Augen. Dann schaute er schärfer hin. Saß da nicht schon jemand, irgendein anderer Tourist, der schon vor ihm die vorzüglichen Eigenschaften des Ortes als Raststelle erkannt hatte? Nun, der Platz war groß ge nug, um mehreren Raum zu bieten.
Jetzt hatte er die Schneegrenze erreicht und löste die Skier von den Füßen. Langsam trat er näher. Ein junges Mädchen, etwa zwanzigjährig, saß dort allein. Ihr Gesicht war bleich, und nur schwach erwiderte sie seinen Gruß. Ihre Skier lagen neben ihr, der eine davon war zerbrochen. Gransfeld sah, daß das Mädchen Schmerzen litt. In kurzen Worten stellte er sich als Arzt vor und erfuhr, was geschehen war.
Die junge Dame, Susanne Rasmussen aus Hamburg, hatte mit einer Pensionsfreundin eine Skitour auf den Mont Tendre unternommen.
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