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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Brechstange. »Nein, Henke, ich habe nichts gesehen.«
    Die Stange senkte sich, stieß hart auf die tönenden Fliesen. Ein weiseres Lachen kam aus Henkes Kehle. »Nichts gesehen, Altmüller? Recht so, alter Junge! Das ist vernünftig von dir. ‘s ist nicht gesund, wenn man hier zu viel sehen will – oder hören.«
    Henke ging an einen Schrank und kam mit einer Flasche zurück. Er riß den Pfropfen heraus und tat einen kräftigen Zug. »Nimm auch mal einen ordentlichen, Altmüller, damit du auf vernünftige Gedanken kommst!« Er drückte dem Widerstrebenden die Flasche an die Lippen. »Nimm, Mensch! Wirst du schlucken?«
    Erst nachdem der andere kräftig getrunken hatte, ließ Henke von ihm ab. Der scharfe Branntwein machte Altmüllers Augen tränen und trieb ihm das Blut in die Wangen.
    »So, Altmüller, nun gefällst du mir besser. Jetzt bist du wieder ein ganz anderer Mensch.«
    Erst nach mehrfachem Räuspern und Husten konnte Altmüller wieder reden. »Aber, Henke …«
    »Was denn, Altmüller?«
    »Henke, wenn man den Kessel demnächst wieder aufmacht, dann wird …«
    »Schafskopf! Vor drei Wochen wird der nicht wieder geöffnet.«
    »Aber dann, Henke? In drei Wochen, dann wird man …«
    »Dämlicher Schafskopf! Wände kann man mit dir einrennen. Hier! Trink erst noch mal! So! Laß dir erzählen! Bei Blohm & Voß in Hamburg, da hat mal ein Monteur seine Tasche mit Werkzeug und Frühstück im Kessel liegen lassen. Als er sie vermißte, war der Kessel schon wieder unter Dampf. Erst vierzehn Tage später wurde der Kessel stillgesetzt, und der Mann konnte nach seiner Tasche suchen. Das eiserne Werkzeug hat er auf dem Kesselboden auch gefunden, aber die schwere rindslederne Tasche, Altmüller, und das Frühstück, einschließlich der Karbonadeknochen, Altmüller, davon war nicht mehr so viel« – er schnippte mit Daumen und Zeigefinger – »nicht mehr so viel vorhanden. Dampf und Heißwasser von zehn Atmosphären vierzehn Tage lang, das reicht, Junge! Da bleibt nichts übrig.«
    Henke stellte die Flasche in den Schrank zurück und regulierte an dem Teil der Anlage, für den er verantwortlich war. Altmüller fühlte sich unter dem Einfluß des starken Alkohols angenehm duselig und gleichgültig. Was ging’s ihn an, was Henke machte oder gemacht hatte? Er versuchte sich um seine Maschinen zu kümmern. Ein Glück, daß die auch ohne seine Hilfe liefen! Bei Beendigung der Frühschicht mußte Henke den Schnarchenden erst wecken. —
    Als Henke gegen Abend am Konsumverein vorbeikam, lief ihm die alte Federsen über den Weg.
    »Na, Mutter Federsen, immer noch rüstig zu Wege? Wie geht’s denn?«
    »Schlecht, Herr Henke, ach, so schlecht!« Die Alte sah vergrämt aus.
    »Nanu, Mutter Federsen, was habt Ihr denn für einen Kummer?«
    »Ach, Herr Henke, der junge Wagner, der bei mir wohnte, so’n netter junger Mensch, immer so fidel, der is nu wohl ooch zu Schaden gekommen!«
    Henke schüttelte den Kopf. »Zu Schaden gekommen? Glaube ich nicht, Mutter Federsen, sonst hätte man doch im Werk irgend etwas gehört. Wer weiß, wo der Bengel sich rumtreibt!«
    »Nee, nee, Herr Henke« – die Alte fuhr sich mit einem Taschentuch über die Augen –, »des war een solider junger Mensch. Und grad heute, wo’s Schweinebraten bei mir gab und Thüringer Klöße, Herr Henke – nee, nee, da wäre er bestimmt nach Hause gekommen.«
    Henke überlegte ein Weilchen. »Habt Ihr Euch denn schon im Werk erkundigt, Mutter Federsen?«
    »Ja freilich, Herr Henke! Beim Herrn Rübesam bin ich gewesen.«
    »So, bei Rübesam? Was hat denn der gesagt?«
    »Der hat immer bloß den Kopp geschüttelt und hat een sehr ernstes Gesicht gemacht. Un denn hat er gemeint, man müsse abwarten.«
    »Na also, Mutter Federsen, da sehen Sie’s ja! Der Bengel treibt sich irgendwo rum. Wenn ihm was zugestoßen wäre, müßte es Rübesam wissen. Warten Sie nur ab! Wer an Schweinebraten gewöhnt ist, kommt wieder.«
    Die Alte seufzte. »Ich gloob’s nich mehr, Herr Henke. Bis heute abend um achte hab ich’s ja ooch noch gegloobt. Aber da is der Herr Rübesam selber noch mal zu mir gekommen un hat in dem Rudi seinen Sachen gekramt. Un als er denn weggegangen is, da hat er gesagt: ›Mutter Federsen‹, hat er gesagt, ›‘s kann vielleicht ne Zeit dauern, bis der Junge wiederkommt.‹ Nu gloob ich’s nich mehr, Herr Henke; ‘s muß wohl doch was vorgekommen sein. Adjes ooch, Herr Henke!«
    Die Alte ging die Straße weiter. Henke pfiff nachdenklich durch die

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