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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Bootsverleiher von Beruf. Er hat einen kleinen Laden in der Rue Marilly. Ich glaube, er macht das Geschäft auch nur ausnahmsweise, um einmal etwas nebenbei zu verdienen.«
    »Hast du ihm schon gesagt, daß wir gern allein segeln möchten? Ich habe keine große Lust, den ganzen Tag über einen fremden Menschen mit im Boot zu haben.«
    »Jawohl, Herr Doktor, das habe ich ihm gesagt.«
    »Und was meinte er?«
    »Zuerst schien er nicht ganz einverstanden damit zu sein. Er hatte wohl Besorgnis, daß sein Boot in ungeschickte Hände kommen könnte. Aber dann habe ich ihm erzählt, daß Sie, Herr Doktor, ein vollendeter Segler sind.«
    Lächelnd unterbrach ihn Gransfeld. »Rudi, du sollst nicht schwindeln!«
    »Wieso, Herr Doktor? Sie können doch gut segeln; und dann habe ich ihm noch gesagt, daß ich selbst ein alter Seemann bin.«
    Jetzt mußte Gransfeld laut lachen. »Rudi, Rudi, auf der ›Usakama‹ ein Beefsteak auftragen oder mit Klüver und Schot umgehen, sind sehr verschiedene Dinge.«
    »Na ja, Herr Doktor, ich mußte den Mann doch überzeugen, daß sein Boot bei uns in den allerbesten Händen ist! Das hat er denn auch glücklich eingesehen. Wir können das Boot sofort haben.«
    »Heute schon?« Gransfeld warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist erst halb neun. Das würde noch gehen.«
    »Fein, Herr Doktor!« Rudi vollführte einen kleinen Freudensprung. »Einen Segelwind haben wir heute, einen steifen Nordost, der ist großartig!«
    Gransfeld schüttelte den Kopf. »Wenn du ein alter Segler wärst, würdest du anders über den Fall denken, Rudi. Bei Nordost müssen wir auf dem Hinweg kreuzen. Wenn wir aber zurück mit glattem Wind nach Hause fahren wollen, bricht die übliche Flaute aus. Doch meinetwegen. ›I1 faut prendre le temps, comme il vient‹, sagen sie hier in Genf. Besser Gegenwind als gar keinen Wind. Geh zu diesem Monsieur und mach die Sache mit ihm klar! Ich ziehe mich inzwischen um. In einer Viertelstunde kannst du mich abholen.«
    Rudi hatte nicht zuviel versprochen. Das Boot, das sich am Rhonekai auf den Wellen wiegte – »Céleste Genève« stand in goldenen Buchstaben am Bug – machte in der Tat einen guten Eindruck. Monsieur Bouton, klein, schwarz und beweglich, der Typ des Südfranzosen, war bereit, es Monsieur le Docteur für eine Tagestour nach Yvoire ins Französische zu dem verabredeten Preis zu überlassen. Mit einem wasserfallartigen Wortschwall empfahl er größte Sorgfalt und Schonung, gab gute Tips für die Verpflegung in Yvoire und half schließlich noch das Großsegel hissen.
    Gransfeld zog die Schot an, der Wind griff in die Leinwand, und dem Drucke des Steuers gehorchend fuhr die »Céleste« aus der Rhonemündung auf die weite Seefläche hinaus. Klatschend zerschnitt ihr Bug die von Nordost heranrollenden Wogen. Sobald sie aus dem Schutz der Kaianlagen heraus waren, begann der rassige Rumpf auf und ab zu tanzen.
    »Aufpassen!« rief Gransfeld Rudi zu, der auf dem Schwertkasten saß. »Gleich werden wir über Stag gehen. Wenn ich rufe: ›Baum kommt‹, mußt du dich ducken. Dein Schädel mag ziemlich hart sein, aber der Segelbaum ist noch härter.«
    Die »Céleste« war inzwischen an der Stadt vorbei bis dicht an das Ostufer des Sees gekommen.
    »Achtung, Rudi! Baum kommt!« Rudi machte eine tiefe Verbeugung.
    Gransfeld legte das Steuer um und holte das Großsegel nach Backbord herüber. Das Boot legte sich schräg und schoß im Nordkurs durch die Wellen.
    »So! Setz dich nach Steuerbord hinüber, Rudi!« Gransfeld holte die Schot etwas an und beobachtete das Westufer.
    »Ist das Schwert ganz herunter?«
    Rudi prüfte die Schwertleine. »Jawohl, Herr Doktor.«
    »Hm! Dichter kriege ich sie nicht an den Wind. Wir werden mit dem ersten Schlag bis Genthod kommen. Dann wieder über Stag ans Ostufer. Der dritte Schlag kann uns bis Céligny bringen. Mit dem vierten erreichen wir dann sicher Yvoire. Immerhin« – er blickte auf die Uhr – »jetzt ist’s beinahe zehn. Vor zwei Uhr mittags können wir kaum in Yvoire sein.«
    Rudi klatschte vergnügt in die Hände. »Fein, Herr Doktor! Vier Stunden segeln, knorke, knorkissimo, edelknorke!«
    Gransfeld hielt sich die Hände an die Ohren, als ob sie ihn schmerzten. »Rudi, tu mir den Gefallen und verschone mich mit deinen Berliner Redensarten! Übrigens, mein Jungchen, vier Stunden sind eine gehörige Zeit. Ich kenne einen jungen Mann – ich will keinen ansehen oder nennen – der sich durch einen gesegneten Appetit auszeichnet. Dem

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