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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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den Mantel über. »So, jetzt ist der Motor unsere letzte Rettung. Wir wollen versuchen, ihn in Gang zu bringen.«
    Rudi war schon dabei. Er arbeitete an der Kurbel, bis ihm der Schweiß von der Stirn lief. »Das Biest will nicht anspringen, Herr Doktor.«
    »Auch noch dieser Schmerz!«
    Gransfeld überließ Schot und Steuerpinne sich selbst und kniete neben Rudi bei dem Motor nieder.
    »Kompression ist da, Herr Doktor, und Betriebsstoff auch. Sehen Sie, der Vergaser tropft.«
    »Dumme Geschichte, Rudi! Da kann es nur an der Zündung liegen. Wir müssen uns die einmal vornehmen. Hast du einen Schlüssel für die Kerzen?«
    Gransfeld untersuchte noch einmal den Vergaser, während Rudi unter den Schraubenschlüsseln im Werkzeugkasten wühlte.
    Ein Geräusch von draußen ließ ihn aufhorchen. »Ich glaube, ein Motorboot ist in der Nähe, Herr Doktor. Das könnte uns vielleicht ins Schlepp nehmen. Ich will mal sehen.«
    Er griff nach dem Waschbord und richtete sich halb auf, sah, wollte schreien … Da, ein ohrenbetäubendes Krachen und Splittern. In dem dichten Nebel hatte ein Motorboot in voller Fahrt die »Céleste« mittschiffs gerammt. Ein starkes Stahlboot mußte es sein, denn wie sprödes Glas brach der leichte Mahagonirumpf der »Céleste« durch den Anprall in zwei Teile. In schwerem Schwall stürzten die Wasser über Rudi und Gransfeld zusammen.
    Die »Céleste« war zerschmettert, ihre Insassen waren in den Fluten begraben, das Boot, das den Unfall verschuldet hatte, war schon wieder im Nebel verschwunden, wie ausgelöscht von der Seefläche. Nur Rudi gelang es, sich zur Oberfläche emporzuarbeiten. Vergeblich schaute er sich nach Gransfeld um. War dieser, durch den Zusammenprall verletzt oder betäubt, untergegangen? Sie hatten beide im Hinterschiff bei dem Motor gekniet, als der verhängnisvolle Stoß die »Céleste« im vorderen Teil an der Stelle des Mastes zerschnitt.
    Wenige Schritte von Rudi entfernt trieb das Hinterschiff kieloben auf dem Wasser. Mit kräftigen Stößen schwamm er darauf zu. Mit beiden Händen packte er die Kielleiste und versuchte, das Hinterschiff mit seinem ganzen Körpergewicht herumzuwerfen. Zweimal, dreimal mißlang es. Beim vierten Male glückte es ihm, das Wrackstück auf die Seite zu legen. Luft, die sich darin gefangen hatte, sprudelte heraus. Nicht mehr von ihr getragen, sackte das durch den schweren Motor belastete Wrackstück weg und verschwand in die Tiefe. Allerlei rissen die mit Gewalt aus dem Trümmerstück entweichenden Luftmassen mit nach oben. Einen Rucksack sah Rudi auf der Seefläche auftauchen, eine Mütze und dann – etwas Langes, Dunkles. Mit wenigen Stößen war er daneben. Seine Hände fühlten den Körper Gransfelds. War er tot, war er nur ohnmächtig? Rudi wußte es nicht.
    Der Mast der »Céleste«, durch den Stoß aus dem Rumpf gebrochen, trieb dicht neben ihm. Dorthin zog er den regungslosen Körper und band ihn mit der Schot so auf das Holz, daß der Kopf über den Wellen war. Er versuchte dann, sich selber auf den Mast zu schwingen und rittlings drauf zu sitzen. Doch das Holz vermochte die doppelte Last nicht zu tragen. Gransfelds Kopf kam dabei unter Wasser. Rudi blieb nichts anderes übrig, als sich neben dem Mast treiben zu lassen und sich nur leicht an ihm festzuhalten.
    Seine Gedanken wanderten rückwärts. Hatte er nicht schon einmal im Wasser gelegen, im offenen Meer vor Port Said, in einem Wasser, in dem es Haifische gab, wo die tückische Strömung ihn auf die hohe See zu treiben drohte? Und war er nicht doch glücklich davongekommen?
    Diese Erinnerung gab ihm Hoffnung und Mut zurück. »Nur wer sich selbst aufgibt, der ist verloren.« Das alte Sprichwort ging ihm durch den Sinn. Einmal mußte ja schließlich der Nebel weichen, und dann – es war beinahe Vollmond – dann mußte Rettung möglich sein. Wenn er nur wüßte, wie es mit Doktor Gransfeld stünde! Er versuchte dessen Puls zu fassen, konnte aber keinen Pulsschlag fühlen.
    Die Nacht kam herauf. Noch immer war der Himmel bezogen. Nur hin und wieder brach der Vollmond durch das Gewölk und übergoß den See und die Berge mit seinem Licht. Der Brust eines Schlafenden vergleichbar, hob und senkte sich die weite Seefläche in einer leichten Dünung.
    Um 10 Uhr 30 verließ das letzte Dampfboot der Linie Lausanne – Genf die Brücke von Coppet. Mit Südkurs stieß es ab, um auf kürzestem Wege Genf zu erreichen. »Toute vapeur!« ging das Kommando von der Brücke in den Maschinenraum.

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