Moderne Piraten
dir! Dank auch Ihnen, mein lieber Herr Doktor, daß Sie mir diese Hoffnung bringen!«
Gransfeld sprach weiter: »Doch eins ist dabei notwendig: jede heftige Gemütsbewegung ist Gift für Ihren Vater und muß ihm ferngehalten werden. Wenn Ihnen das gelingt, Fräulein Susanne, dürfen Sie hoffen, ihn noch lange zu haben.« —
Während Susanne mit Gransfeld plauderte, war die Dimitriescu durch einen zweiten Eingang wieder in das Hotel zurückgekommen.
C. F. Rasmussen saß in seinem Zimmer am Schreibtisch, mit der Erledigung von Briefen beschäftigt, als es klopfte. »Herein!« Er wandte sich zur Tür. »Sie, Frau Dimitriescu? Ich glaubte Sie längst im Bon Marché. Was führt Sie noch einmal zurück?«
»Eine Sache, die Sie, Rasmussen, interessieren dürfte. Wissen Sie, mit wem Ihre Tochter Susanne seit einer Viertelstunde unten in der Empfangshalle zusammensitzt und – ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage: sich recht angeregt unterhält?«
Rasmussen schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, Frau Dimitriescu. Woher sollte ich das wissen?«
»Sie können es in der Tat nicht ahnen; aber eine nette Überraschung ist es, das kann man wohl sagen.«
Rasmussen war ungeduldig aufgestanden. »So sprechen Sie doch! Warum die lange Vorrede?«
»Weil – es Sie möglicherweise aufregen könnte. Mit Rücksicht auf Ihre Gesundheit habe ich es Ihnen bisher verschwiegen, daß Susanne bereits gestern abend im Foyer der Großen Oper mit diesem Doktor Gransfeld zusammen war.«
»Mit Gransfeld? Sie scherzen wohl, Frau Dimitriescu? Gransfeld steckt irgendwo in der Schweiz!« Er atmete schwer und ließ sich wieder in den Stuhl fallen.
»Leider nicht, Rasmussen; er ist hier. Er war gestern auch in der Oper und hat dort Susanne getroffen. Augenblicklich sitzt er unten in der Empfangshalle mit ihr zusammen.«
»Himmel!« Rasmussen war blaß geworden. Er griff nach dem Taschentuch und tupfte sich die Stirn ab.
»Es war meine Pflicht, Ihnen das zu sagen, Rasmussen. Sie müssen ein Machtwort sprechen. Susanne Rasmussen und Doktor Gransfeld! Das wäre eine unmögliche Zusammenstellung. Reden Sie ernsthaft mit Susanne! Nötigenfalls müssen Sie Paris schnell verlassen.«
Sie war gegangen, ehe Rasmussen antworten konnte. Dieser preßte die Hände gegen das wild schlagende Herz. »Sollen meine Qualen nie ein Ende haben? Sollen sich die Sünden der Väter an den Kindern rächen? Himmel, was bin ich? Vor den Augen der Welt ein ehrbarer Kaufmann und in Wirklichkeit – das Mitglied einer Verbrecherbande, selbst ein Verbrecher.« Stöhnend schlug er die Hände vor das Gesicht. »Herr Gott im Himmel! Gibt es denn keinen Ausweg aus dieser Not? Mein Kind könnte vielleicht glücklich werden, mein einziges, liebes Kind. Ob der Doktor es ehrlich meint? Ein anständiger Mensch scheint er zu sein. Susanne, mein armes Kind, ich ahne es, ich weiß es, daß er dir nicht gleichgültig ist, und ich – meine Lage – es ist zum Verzweifeln.«
Die Erregung übermannte ihn. Er spürte einen neuen Anfall seines Leidens. Mit letzter Kraft griff er zu dem Fläschchen mit der heilkräftigen Arznei.
8 Der Knoten schürzt sich
Während Gransfeld in Paris Abenteuer erlebte, die ihm keinen Zweifel über ein recht gefährliches Interesse der Organisation an seiner Person ließen, verbrachte Rudi seine Tage unbehelligt bei Rübesam in Gorla.
Die Gründe für dieses spurlose und der Organisation ganz unerklärliche Verschwinden des Jungen waren in Rübesams unerschöpflichem Kleiderschrank zu suchen. Wenn Rudi das Haus des Chemikers verließ, so geschah es in stets wechselnden Verkleidungen, in denen ihn auch seine nächsten Freunde nicht wiedererkannt hätten.
Pflichtgemäß hatte Henke nach jenem Vorkommnis in Altmüllers Wohnung sofort über das Auftreten eines verdächtigen Menschen, möglicherweise eines neuen Detektivs, an die Picadilly-Street berichtet. Umgehend hatte Mac Andrew auf diese Meldung hin seine Geheimverbindungen in den Gorla-Werken in Anspruch genommen. Doch keinem von allen denen, die es wissen mußten, war etwas von der Einstellung eines Detektivs bekannt. In der Tat war der verdächtige Herr mit dem blonden Vollbart ebenso schnell, wie er auftauchte, wieder verschwunden. Rübesams Frisierbeutel enthielt ja Perücken und Bärte aller Formen und Farben, und Rudi wäre nicht Rudi gewesen, wenn er von diesen Möglichkeiten nicht den ausgiebigsten Gebrauch gemacht hätte.
Der Arbeiter zum Beispiel, der sich da in der neunten Abendstunde auf
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