Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
verneinend den Kopf und wandte die Augen zu dem Gang, der vom Schlafzimmer und dem Badezimmer herüberführte.
Didi ging mit der Pistole in der Hand leise zur Tür.
Er faßte die Klinke und riß die Tür plötzlich auf. Eben da trat Willie Garvin aus dem Gang auf der gegenüberliegenden Seite des Ateliers hinter Didi.
In Willies Hand war ein Messer, an der Spitze gehalten; dann aber war kein Messer mehr da, sondern nur ein glitzerndes Flimmern in der Luft. Die Klinge drang bis an den Knochen in die Rückseite von Didis Pistolenarm. Didi wieherte vor Schreck auf und starrte immer noch den großen grauen Mann an, der vor ihm in der offenen Tür stand. Die Pistole entfiel den kraftlosen Fingern, und der große Mann fing sie ruhig auf, stieß Didi ins Zimmer zurück und schloß die Tür hinter sich.
Wimmernd drehte sich Didi um und wußte, daß er Garvin sehen würde. Das zweite Messer war in einer großen, kräftigen Hand bereit, und zwei eiskalte Augen versprachen ihm den Tod.
«Soll ich ihn erledigen, Prinzessin?» fragte Willie ruhig.
«Nein, Willie. Mach mich los, bitte.»
Die Nachwelle des Schocks überschwemmte Didi, und er fiel auf einem Stuhl zusammen, halb über den Tisch geworfen; das Messer ragte aus seinem Arm hervor. Tarrant wog die Pistole in der Hand und sagte nichts. Willie Garvin war jetzt über Modesty gebeugt.
Er befreite den eingesperrten Fuß, der unter den zusammengebundenen Daumen eingehakt war, und schnitt dann sehr behutsam die Hanfschnur mit dem Messer durch.
Als sich Modesty steif bewegte, um sich aufzusetzen, fiel der aufgeschlitzte Hausmantel bis zur Taille herab, und einen Augenblick lang sah Tarrant den herrlichen Körper. Willie zog den Mantel herauf und wieder um ihre Schultern, ritzte dann den Kragen leicht auf, so daß er ihn hinter ihrem Nacken zusammenbinden konnte. Ihre Daumen waren blauschwarz und gräßlich geschwollen. Willie nahm sie zwischen seine Hände und begann sie sanft zu massieren. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Modesty; die anderen im Zimmer waren so gut wie vergessen.
«Ich hole zwei Becken mit heißem und mit kaltem Wasser», sagte er. «Tauche deine Daumen abwechselnd ein, das wird sie bald wieder in Ordnung bringen. Aber du hast zehn schlimme Minuten vor dir, Prinzessin.»
«Die habe ich bei Gott verdient. Überhaupt das Ganze.» Ihre Stimme war hart vor Selbstverachtung.
Dann wurde sie weicher. «Danke, Willielieb. Die Daumen können warten. Hol den Verbandkasten und verbinde Didi, bevor er zuviel blutet. Ich will mich um Paul kümmern.»
Ungeschickt griff sie nach Didis Schnappmesser und stand auf. Willie ging durch das Atelier und nickte Hagan liebenswürdig zu.
«Hallo, Paul! Freue mich, Sie kennenzulernen. Wie geht’s Ihnen, Kumpel?»
«Besser, als ich es verdiene, verflucht.» In Hagans Stimme war kalte Wut, und Schweiß überströmte sein Gesicht. Modesty kniete mit dem Messer in der Hand neben ihm nieder.
Willie stand vor Tarrant, und Tarrant erkannte in den frostigen blauen Augen die Herausforderung, auch nur eine Bemerkung über irgend etwas zu machen, das er gesehen hatte oder vermutete. Tarrant blickte mit zusammengepreßten Lippen zu Modesty und Hagan hinüber, dann zurück zu Willie. Nach einem Augenblick des Zögerns nickte er ihm leicht und beruhigend zu.
Willie wurde wieder freundlich und blickte auf Didi hinunter, der immer noch über den Tisch hingestreckt halb ohnmächtig dalag. Er packte den Mann an den Haaren und hob ihm den Kopf hoch.
«Didi!» sagte er heiter. «Jetzt erinnere ich mich an ihn. Der hat doch ständig Unannehmlichkeiten mit seinen Armen, Prinzessin.» Er ging ins Schlafzimmer und kehrte gleich darauf mit einer kleinen Diplomatenmappe zurück. Hagan war in der Küche und ließ Wasser heiß werden. Modesty stand an der Küchentür und massierte ihre Daumen. Ihr Mund war eine dünne, harte Linie. Niemand sprach.
«Ich bin ja nicht gerade hingerissen davon, als Lockvogel benützt zu werden», sagte Tarrant, als Willie die Mappe niederstellte und öffnete. «Er hätte mich niederknallen können.»
«Einer hat das Risiko auf sich nehmen müssen», sagte Willie sachlich. «Und ich bin ja selber Köder.» Säuberlich schnitt er Didis Jackenärmel, dann den Hemdärmel ab und legte den Arm bloß, aus dem der schwarze Griff des Messers ragte. Dann legte er eine Hand auf Didis Schulter, packte den Messergriff und sah Tarrant an.
«Achtung, fertig. Wollen Sie sich bitte bereitmachen, sofort diesen Notverband da
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