Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
ein Mikrofon eingebaut.
Willie öffnete ein Auge und schloß es wieder, zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
«Was geschieht, wenn die
Tyboria
in Beirut ankommt und man entdeckt, daß die Diamanten verschwunden sind?» sagte er. «Dieses Schiff wird ein heißer Boden werden. Im ersten Hafen, in dem wir anlegen, wird eine Armee an Bord kommen. Sie werden den Tauchapparat finden, den Laderaum, die Diamanten – alles.»
«Nein. Ich habe mich diesbezüglich erkundigt.» Sie straffte seine Wangenhaut und führte das Rasiermesser geschickt über den Unterkiefer. «Wir verlassen das Schiff heute nacht, mit Gabriel und einigen anderen – und den Diamanten. Ich weiß nicht, wo. Aber das Schiff fährt weiter, und der Tauchapparat wird in der griechischen Inselwelt bei einer Filmgruppe dort abgeliefert.»
«Nette Tarnung. Aber das Schiff wird trotzdem heißer Boden sein. Wir sind fast zwei Stunden lang Seite an Seite mit der
Tyboria
gefahren»
«Das Schiff wird keinen Hafen vor Brest berühren.
Um die Zeit aber wird der Laderaum wieder in seinem Normalzustand sein. Kein Mensch wird etwas entdecken können.»
«Auf See wird sie nicht angehalten?»
«Wer sollte das schon?» Modesty legte das Rasiermesser hin und wischte Willies Gesicht trocken. «Die interessierten Gruppen sind Scheich Abu-Tahir und die britische Regierung. Abu-Tahir besitzt kein Kanonenboot, und die britische Regierung würde keines einsetzen. Nicht auf offener See und nicht auf einen winzigen Verdacht hin.»
Willie fuhr sich mit der Hand über die Wange.
«Großartig hast du das gemacht», sagte er. «Danke, Prinzessin.» Er rekelte sich genießerisch. «Habe ich dir je von der Puppe damals in Santiago erzählt?»
«Ich glaube nicht. Jedenfalls von keiner in Santiago.»
Sie spülte das Rasiermesser ab und trocknete es.
«Die war Klasse!» sagte Willie, in Erinnerung versunken. «Tolles Temperament. Aber sie war so lange nicht interessiert, so lange ich keine Bartstoppeln hatte. Einen richtigen Bart mochte sie nicht, konnte aber auch keine glatte Rasur leiden. Stoppeln mußten es sein.»
«Verschroben, aber harmlos.» Modesty klappte das Rasiermesser zu, legte es auf ein schmales Brett und streckte sich auf der zweiten Koje aus. «Und was geschah weiter, Willie?»
«Na ja, nicht viel. Ich war nicht lange dort. Und jedenfalls ist es schwer, immer nur stoppelbärtig zu sein.
Sie heiratete einen Barbier. Er pflegte sich mit der Haarschneidemaschine über das Kinn zu fahren. Auf die Art war er ständig einsatzbereit, alle vierundzwanzig Stunden des Tages. Als ich ihn zwei Jahre später sah, war er himmelfahrtsreif.»
Modesty lächelte. Sie entnahm einem verknitterten Zigarettenpäckchen zwei Zigaretten, zündete sie an und reichte ihm eine hinüber. «Es ist ein Jammer, daß uns Gabriel zuvorgekommen ist», sagte sie. «Ein Haufen Diamanten, den du da zurückgebracht hast, Willie.»
«Man kann nicht immer nur gewinnen. Hätten wir erfahren, daß Gabriel hinter ihnen her ist, dann hätten wir wenigstens beim Absetzen einen Handel herausschinden können.»
«Zu spät.» Sie blies nachdenklich den Rauch aus.
«Wir kommen mit leeren Händen heraus. Wenn wir Glück haben.»
Er griff das Stichwort sofort auf und legte eine Spur Unbehagen in die Stimme. «Du rechnest mit der Möglichkeit, daß er uns erledigt?»
«Die Möglichkeit besteht, daß er so denkt. Aber ich sehe nicht, wie er in Istanbul einen Kontakt ohne mich herstellen könnte. Er könnte dich festhalten, bis das getan ist.»
«Und nachher?»
«Er ist nicht so dumm, daß er mich laufen läßt und dich umlegt, Willie. Ich könnte reden.»
«Dann scheint er uns eigentlich eine faire Chance zu geben.»
«Solange wir keinen Wirbel machen. Denk dran. Wir müssen es eben einfach durchstehen.»
«Na schön.» Willie streckte und entspannte sich.
Nach einer halben Minute sagte er: «Was ist aus deiner Stute in Benildon geworden, die fohlen sollte?»
17
Es war elf Uhr, als McWhirter in Gabriels Kabine kam.
Gabriel saß mit der Gabel in der Hand da und aß von einem großen Teller Salat, Obst und Nüsse. Neben dem Teller stand ein Glas Milch. Mrs. Fothergill lümmelte auf einer Polsterbank an der Wand und mühte sich stirnrunzelnd mit einem Kreuzworträtsel in einer Zeitschrift ab. Es waren erst drei Wörter in einer primitiven Kinderhandschrift ausgefüllt.
«Sie haben miteinander geredet», sagte McWhirter.
«Es ist alles auf Band. Was es schon wert ist.»
Gabriel hob eine Braue,
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